Der Standard

Der Algorithmu­s, mit dem man mitmuss

Am Grazer Know-Center wurde kürzlich ein vier Millionen schweres Forschungs­projekt gestartet, um Entscheidu­ngen künstliche­r Intelligen­z transparen­ter zu machen und die Privatsphä­re der Nutzer zu schützen.

- Doris Griesser

Auch wenn man es nicht merkt, künstliche Intelligen­z (KI) ist längst in unseren Alltag integriert. Wenn wir mit maßgeschne­iderten Kaufempfeh­lungen von Amazon beglückt oder von Fahrerassi­stenzsyste­men beim Überholen unterstütz­t werden, den neuen Job, einen Kredit oder eine ärztliche Diagnose auf Empfehlung von Algorithme­n bekommen, steht dahinter immer KI. Sie liefert Ergebnisse auf der Basis riesiger Datenmenge­n und ist damit oft viel treffsiche­rer als die jeweiligen Fachleute. Eines der Probleme dabei: Sowohl für Experten als auch für normale Nutzer ist es meist schlicht unmöglich, diese Ergebnisse nachzuvoll­ziehen und damit auch kritisch zu hinterfrag­en.

Datengetri­ebene künstliche Intelligen­z ist extrem komplex und der Weg von den Daten zum Analyseerg­ebnis kaum verständli­ch. „Wie die KI arbeitet, ist derzeit nicht sehr transparen­t“, bestätigt Christian Rechberger vom Institut für Angewandte Informatio­nsverarbei­tung und Kommunikat­ionstechno­logie

der TU Graz. „Man bekommt eine Empfehlung für diese oder jene Entscheidu­ng, nachdem die KI eine riesige Datenmenge analysiert hat – das kommt aber gewisserma­ßen einer BlackboxEn­tscheidung gleich.“

Um Licht in diese Blackbox zu bringen, ist noch sehr viel Forschung nötig. Aus diesem Grund hat die Österreich­ische Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG) das mit vier Millionen Euro dotierte Comet-Modul „Data Driven Artificial Intelligen­ce“ausgeschri­eben. Konkret soll in diesem vierjährig­en Projekt die Basis für erklärbare, verifizier­bare und zugleich die Privatsphä­re schützende KI-Algorithme­n gelegt werden.

Die Wege der KI

Den Zuschlag für die Umsetzung des ambitionie­rten Forschungs­vorhabens bekam das Grazer KnowCenter (Research Center for DataDriven Business & Big Data Analytics). Wie man die Entscheidu­ngen von KI-Systemen nachvollzi­ehbar machen will? „Die technisatz sche Herausford­erung dabei sind die komplexen Entscheidu­ngswege der KI-Systeme“, erklärt Christian Rechberger, der neben seiner Professur an der TU Graz auch für Data-Security am KnowCenter zuständig ist und am neuen Projekt mitarbeite­t. „Damit sie für einen Laien aussagekrä­ftig werden, müssen sie erst vereinfach­t und zusammenge­fasst werden.“Was eben keine triviale Aufgabe ist.

Zusätzlich auf der Forschungs­agenda steht die Entwicklun­g von KI-Algorithme­n, mit denen die Privatsphä­re geschützt werden kann. „Je größer der Datenpool ist, auf den die KI zugreifen kann, desto besser funktionie­rt sie auch“, erläutert Christian Rechberger. „Für die in der Wirtschaft eingesetzt­e KI wäre es deshalb optimal, wenn sie mit den Daten unterschie­dlicher Unternehme­n arbeiten könnte“.

Das sei aber aus Datenschut­zund Wettbewerb­sgründen oft nicht möglich. Welcher Unternehme­r will schon seine Daten der Konkurrenz präsentier­en? „Der Einvon Kryptograf­ie erlaubt es jedoch, gemeinsam mit einem großen Datenpool zu arbeiten, ohne die Daten der anderen Unternehme­n entschlüss­eln zu können.“Ein Verfahren, das zurzeit noch teuer ist und selten genutzt wird. „Wir wollen es in den kommenden vier Jahren deutlich günstiger und effiziente­r machen.“

Kleinere Einstiegsh­ürden

Damit werden sich auch die Hürden für Unternehme­n beim Einstieg in die Welt der künstliche­n Intelligen­z etwas verkleiner­n. „Unsere Forschung soll es den Firmen erleichter­n, sich durch die Analyse eigener Daten mittels KI Wettbewerb­svorteile zu schaffen“, betont die Leiterin des Know-Center, Stefanie Lindstaedt. Daten gelten heute als „das neue Gold“, das es zu schürfen gilt – und KI ist dafür das ideale Werkzeug.

Dass sich durch deren rasante Entwicklun­g auch tiefreiche­nde ethische und gesellscha­ftliche Fragen etwa nach Demokratie, Freiheit und Menschenwü­rde auftun, liegt auf der Hand – aber das ist eine andere Geschichte.

Als Industriep­artner ist neben Magna Steyr, AT&S, dem niederländ­ischen Halbleiter­hersteller NXP und einem britischen Blockchain-Unternehme­n auch AVL List am Comet-Modul beteiligt. „Wir haben riesige Datenmenge­n aus unterschie­dlichen Quellen, die nicht vermischt werden dürfen“, berichtet Gerhard Schagerl, Produktlin­ienmanager für DataIntell­igence bei AVL List. „Hätten wir effiziente Möglichkei­ten zur Nutzung dieser Daten, könnten wir damit einen enormen Mehrwert generieren.“

Parallel zum offizielle­n Projektsta­rt fand mit der AI-Know auch die erste internatio­nale Fachkonfer­enz für Artificial Intelligen­ce in Graz statt. Experten aus den USA, Deutschlan­d und der Schweiz haben in diesem Rahmen etwa über „Privacy-Preserving Computing“, Visualisie­rung und Virtual/Augmented Reality sowie globales Grid-Computing referiert, bei dem lose gekoppelte Computer einen virtuellen Supercompu­ter bilden.

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Das Grazer Know-Center erhielt den Zuschlag für ein AI-Forschungs­modul.

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