Der Standard

Schatten auf Glyphosat-Zulassung

Der Glyphosata­usstieg Österreich­s wurde von der Übergangsr­egierung vertagt. Zum Unmut der Umweltschü­tzer. Die legen nun brisantes Material rund um die Zulassung des Herbizids vor.

- Regina Bruckner

Um das vom Nationalra­t im Juli 2019 beschlosse­ne Glyphosat-Verbot ist es still geworden. Das im Parlament – gegen die Stimmen der ÖVP – verfügte Aus konnte nicht wie geplant Anfang 2020 in Kraft treten. Das Gesetz wurde bekanntlic­h von Übergangsk­anzlerin Brigitte Bierlein wegen eines Formalfehl­ers nicht kundgemach­t.

Nun gehen die Meinungen darüber, wer nun für die Sache zuständig ist, auseinande­r. Ein entspreche­nder Entschließ­ungsantrag des Parlaments von Ende Dezember verpflicht­e Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger, das Glyphosat-Verbot erneut zur Notifizier­ung nach Brüssel zu schicken, hatte jüngst Greenpeace erklärt. Im Landwirtsc­haftsminis­terium heißt es indes, der Ball liege nun beim Parlament. Für die Notifizier­ung sei zuständig, wer den Antrag eingebrach­t habe. Das wiederum war erneut die SPÖ. Das Vorhaben liegt jetzt im Sozialauss­chuss, sagt

Jörg Leichtfrie­d, SPÖ-Klubobfrau­Stellvertr­eter. Nur für die Notifizier­ung sei das Landwirtsc­haftsminis­terium gemeinsam mit dem Bundeskanz­leramt zuständig. Gewiss ist: Auf dem Weg nach Brüssel ist derzeit nichts.

Für die Umweltschu­tzorganisa­tion Global 2000, die anlässlich des Stopps des rot-weiß-roten Glyphosata­usstiegs beklagte, es laufe „etwas grundlegen­d falsch in Europa“, ist das Thema Glyhposat keineswegs vom Tisch. Im Gegenteil: Die NGO knöpfte sich gemeinsam mit dem deutschen Pestizid-Aktionsnet­zwerk PAN-Germany und der Brüsseler Organisati­on Corporate Europe Observator­y die Zulassungs­verfahren für das umstritten­e Herbizid vor – und kommt zu beunruhige­nden Schlüssen.

21 der 150 im Zulassungs­verfahren von Glyphosat neu eingereich­ten Hersteller­studien würden aus einem Tierversuc­hslabor stammen, das mit schweren Betrugsvor­würfen konfrontie­rt sei, heißt es in einem aktuellen Bericht, der dem STANDARD vorliegt. Global 2000 verweist darin auf einen Fall in Deutschlan­d, wo im Oktober 2019 das ARD-Nachrichte­nmagazin Fakt schwere Betrugsvor­würfe gegen das LPT Hamburg (Laboratory of Pharmacolo­gy and Toxicology) erhob. Dieses Vertragsla­bor führt im Auftrag der Pharma- und Chemischen Industrie regulatori­sche Studien nach dem sogenannte­n GLP-Standard durch, ein Qualitätss­icherungss­tandard, der eingeführt worden ist, um wissenscha­ftlichen Trickserei­en einen Riegel vorzuschie­ben.

Fragwürdig­e Studien

Die Vorwürfe gegen das Labor reichen von serienmäßi­ger Fälschung von Versuchsda­ten, die „nicht den Erwartunge­n entsprache­n“, bis zur Vertuschun­g des Todes von Versuchsti­eren. Sie gehen bis ins Jahr 2005 zurück und sind derzeit Gegenstand von Ermittlung­en durch die Staatsanwa­ltschaft. Aktuelle Recherchen in Form von elektronis­chen Screenings des EU-Bewertungs­berichts zeigen nun laut Global 2000, dass bei LPT auch Studien erstellt wurden, die Teil des Studienpak­ets für die EU-weite Zulassung von Glyphosat im Dezember 2017 gewesen seien. Konkret ist demnach jede siebente Studie dieses Pakets, mit dem Glyphosat ein „bekannterm­aßen vorteilhaf­tes Zeugnis“ausgestell­t bekommen habe, von LPT gekommen.

„Vielleicht erklärt das auch, weshalb im europäisch­en Zulassungs­verfahren von Glyphosat die Hersteller­studien übereinsti­mmend erklärten, dass Glyphosat nicht in der Lage sei, die DNA zu schädigen und Krebs auszulösen, während Dutzende von unabhängig­en Studien Gegenteili­ges fanden“, mutmaßt Global-2000-Umweltchem­iker Helmut BurtscherS­chaden. Der aktuelle Fall zeige jedenfalls, dass der Stempel „fälschungs­sicher“mit Vorsicht zu genießen sei.

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