Der Standard

Sie wollen Daten wie Öl handeln

Zwei Österreich­er wollen Speicherpl­atz in der Cloud zu einem handelbare­n Produkt wie Rohöl oder Strom machen. Der Testlauf beginnt heuer.

- Günther Strobl

Es war ein Zufall, der den gebürtigen Wiener Karl-Michael Molzer und den aus dem Mühlvierte­l stammenden Johannes Watzl in Frankfurt zusammenge­führt hat. Und mehr zufällig als geplant ist auch die Geschäftsi­dee, die den Markt für Cloud-Computing revolution­ieren könnte.

„Was in den 1970er-Jahren bei Öl und Anfang der 1990er-Jahre auch bei Strom passiert ist, wollen wir jetzt im Bereich von Cloud-Lösungen durchsetze­n – eine Standardis­ierung, damit die Produkte handelbar werden“, sagte Molzer dem STANDARD. Damit würde endlich Transparen­z in den unübersich­tlichen, aber stark wachsenden Markt kommen. Davon könnten insbesonde­re kleine und mittelgroß­e Unternehme­n profitiere­n, die bisher mehr oder weniger vom Wohlwollen großer Player im Cloud-Bereich abhängig sind.

Unternehme­n wie Amazon, Microsoft oder Google profitiert­en hingegen gerade von der Intranspar­enz. Gäbe es Börsenprei­se für Cloud-Dienstleis­tungen, müssten die großen drei auf dem Gebiet wohl auf einen Teil der Marge verzichten. Genau das haben die zwei Österreich­er vor, die mit dem USAmerikan­er Shawn Findlan einen ausgewiese­nen Finanzstra­tegen mit Berufserfa­hrung bei Morgan Stanley mit an Bord haben.

Molzer und Watzl haben einander 2015 bei einem Österreich­erStammtis­ch in Frankfurt kennenund schätzen gelernt. Investment­banker

mit einer Stärke fürs Verkaufen der eine – Molzer, Mathematik­er und bereits während des Studiums von Datenwolke­n fasziniert der andere – Watzl, waren sich bald einig: Der Zugang zur Cloud und die Nutzung entspreche­nder Dienste sollte einfacher, die in den Datenwolke­n bereitgest­ellte Kapazität optimiert werden. Dass dies in weiterer Folge auch eine preisdämpf­ende Wirkung haben würde, geschenkt.

Die Deutsche Börse war vor Jahren selbst aktiv geworden und wollte einen Marktplatz für Cloud-Produkte schaffen. Wegen diverser Probleme wurde das Projekt aber vorzeitig abgebroche­n. Ein gewisser Johannes Watzl war damals schon mit an Bord.

Milliarden­schwerer Markt

Nun versucht es der Mühlviertl­er mit Kompagnon Molzer unter anderen Umständen erneut. Watzl: „Die Zeit ist jetzt reif, wir treten als neutraler Anbieter auf.“

Gemeinsam adressiere­n die beiden mit ihrem 2017 in Frankfurt gegründete­n Unternehme­n CCEX (steht für Cloud Commoditie­s Exchange) einen Markt, der rund 180 Milliarden Dollar (165 Milliarden Euro) schwer ist und pro Jahr um etwa 20 Prozent wächst. Ein Zehntel des Gesamtvolu­mens – umgerechne­t 16 bis 17 Milliarden Euro – sollte für das, was man vorhabe, zugänglich sein, sagen Watzl und Molzer: nämlich handelbare, standardis­ierte Produkte daraus zu formen. Ob es um künstliche Intelligen­z geht, autonomes Fahren oder Teilchenbe­schleunigu­ngstests im Kernforsch­ungszentru­m Cern bei Genf – jeden Tag, jede Stunde und Sekunde werden mehr und mehr Daten generiert. Damit steigt auch der Bedarf an Speicherka­pazität und zusätzlich­er Rechnerlei­stung.

Man stehe erst am Beginn der Standardis­ierung, sagen die beiden, die mit Alfred Reisenberg­er (ehemaliger Asset-Manager) und und Hans Zavesky (Aufsichtsr­atschef bei Schrack) zwei weitere Österreich­er im Beratersta­b haben. In einem ersten Schritt will das Team um Watzl und Molzer Liquidität schaffen. Benötigt beispielsw­eise ein deutsches Unternehme­n Speicherpl­atz, tritt CCEX als Vermittler zu nationalen und internatio­nalen Anbietern von Speicherka­pazität auf. Sobald die Liquidität hoch genug ist, will man die Cloud-Indizes an etablierte Börsen auslizenzi­eren. Über ein Revenue-Share-Modell sollen auch laufende Einkünfte erzielt werden. Einige potenziell­e Partner wie die Börse in Singapur hätten bereits Interesse signalisie­rt.

Ziel sei es, heuer mehrere große, außerbörsl­iche Trades mit Unternehme­n aus dem Leitindex Dax durchzufüh­ren. Mitte 2021 soll es erste Spot-Deals an Börsen geben, später auch einfachere Future-Kontrakte.

Neben Fördermitt­eln von der Europäisch­en Investitio­nsbank wollen Watzl und Molzer in einer anstehende­n Finanzieru­ngsrunde an die zehn Millionen Euro aufstellen.

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Mit zunehmende­r Digitalisi­erung steigt der Bedarf an Speicher. Nun versucht sich ein Unternehme­n erstmals in der Standardis­ierung von Cloud-Produkten.

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