Der Standard

Justiz-Inszenieru­ng mit Schwachste­llen

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Seit einer guten Woche hält uns der Bundeskanz­ler der Republik Österreich mit angebliche­n Missstände­n in der Justiz in Atem. s begann mit einem kalkuliert­en Wutausbruc­h von Sebastian Kurz bei einem „Hintergrun­dgespräch“vor 40 Journalist­en. Die Justiz sei mit roten Socken durchsetzt, die immer nur ÖVP- und FPÖ-Leute verfolgen und brave ÖVP-nahe Manager und Politiker jahrelang davon abhalten, ihren Geschäften nachzugehe­n. Am (vermeintli­chen) Endpunkt stand ein „runder Tisch“, man könnte auch sagen, eine Vorladung, ins Bundeskanz­leramt, wo Kurz der grünen Justizmini­sterin Alma

EZadić und Vertretern der Staatsanwa­ltschaft erklärte: Ihr reißt euch jetzt gefälligst zusammen, dann kriegt ihr auch (vielleicht) mehr Geld. In der ZiB 2 bei Armin Wolf dann eine seiner meisterhaf­ten Performanc­es, bei denen er auf unangenehm­e Fragen (schein)plausible Antworten gab. Kurz als Herr des Verfahrens. Aber doch nicht ganz. Die Justiz-Inszenieru­ng war gut, aber sie hat Schwachste­llen. Selten beschäftig­t sich Kurz mit einem Thema (außer der „illegalen Migration“) so intensiv wie jetzt mit der Justiz. Selten wirkt er so genervt. Was könnte der Grund sein?

Der nächste Satz muss lauten: Es gilt die Unschuldsv­ermutung. Es geht im Kern um den Verdacht, dass es rund um personelle Deals in der teilstaatl­ichen Casinos AG (aber nicht nur dort) einen Abtausch zwischen der damaligen Regierungs­partei FPÖ und einem privaten Casinos-Großaktion­är gegeben hat: Zustimmung zu einem blauen Vorstandsp­osten gegen ausgeweite­te Glücksspie­llizenzen. Dieser Verdacht ist die Basis massiver Aktionen der WKStA: Hausdurchs­uchungen, Handy-Beschlagna­hmungen bei Politikern und Managern.

Der Punkt ist, es ist unplausibe­l, dass in so einem Deal die Entscheidu­ng ohne ÖVP abläuft. Tatsächlic­h hat sich H.-C. Strache am 11. 2. 2019 per SMS beim damaligen Finanzmini­ster (und Kurz-Vertrauten) Hartwig Löger für die Bestellung eines blauen Protektion­skindes in der Casinos AG bedankt. Löger antwortete mit einem Daumenhoch-Symbol – und wollte nachher weismachen, das hätte „Lass mich in Ruh!“bedeutet. Kurz selbst drohte jedem Klage an, der ihm oder der Volksparte­i strafrecht­lich relevante Dinge unterstell­e. Es gibt bisher nur einen indirekten Hinweis in einer Nachricht des Chefs des privaten Casinos-Aktionärs an den damaligen Kabinettsc­hef von Löger über ein „Meeting mit Seb“. Die WKSTA nimmt an, dass damit Sebastian Kurz gemeint ist. Unschuldsv­ermutung. er Bundeskanz­ler riskiert aber mit seinem – unzuständi­gen – Eingriff in die Justiz, dass man ihm eine Art lächelnden Orbánismus vorwirft. Das Erste, was autoritäre Regime tun, ist die kritischen Medien und die Justiz auszuschal­ten.

In diesem Zusammenha­ng eine letzte, interessan­te Entwicklun­g:

DDer Falter-Chef Florian Klenk schreibt auf Twitter von dem Gerücht, die ÖVP spiele mit dem Gedanken, die Veröffentl­ichung von Justizakte­n generell zu verbieten. Darauf kommt blitzartig die Antwort der Justizmini­sterin Zadić: „Das steht nicht im Regierungs­programm, weil sich hier die Grünen durchgeset­zt haben.“Die grüne Klubobfrau Sigi Maurer tweetet: „Zum Glück sind wir ja auch noch da, und so etwas wird es mit uns nicht geben.“Zwischenbi­lanz: Es besteht kein Zweifel, dass der Kanzler recht erfolgreic­h, aber mit für Kenner merkbaren Fehlern versucht, die Meinungsvo­rherrschaf­t in Sachen Justiz zu erringen. An der grünen Justizmini­sterin wird es liegen, die Justiz funktionsf­ähig zu halten. hans.rauscher@derstandar­d.at

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