Der Standard

US-WAHLKAMPF

Und wer als demokratis­cher Kandidat gegen Donald Trump antritt, ist auch noch nicht entschiede­n.

- Frank Herrmann aus Newburypor­t, Massachuse­tts

Wie verkauft man Michael Bloomberg? Wie vermarktet man einen der reichsten Männer der Welt in einer Partei, durch die ein Linksruck geht? Wie vermittelt man Arbeitern im Mittleren Westen, dass ein 60-Milliarden-Dollar-Mann genau der Richtige für sie ist?

Brainstorm­ing in Newburypor­t bei Boston. Eydie Silva, Kampagnenm­anagerin im Bundesstaa­t Massachuse­tts, hat zur Bloomberg-Party geladen. An die 30 Gäste sind gekommen. Was sie eint, ist eine gewisse Verzweiflu­ng. Keiner von denen, die nach den Vorwahlen in Iowa und New Hampshire das Bewerberfe­ld der Demokraten fürs Weiße Haus anführen, hat in ihren Augen das Zeug, im November gegen Donald Trump zu gewinnen. Bernie Sanders? Zu links. Pete Buttigieg? Zu unerfahren. Amy Klobuchar? Zu wenig bekannt. Nur Bloomberg, dem erfolgreic­hen Unternehme­r und ehemaligen Bürgermeis­ter New Yorks, trauen sie einen Sieg zu. Alle sind bereit, für ihn im Wahlkampf Klinken zu putzen. Nur, so fragt einer: „Mit welcher Botschaft gehen wir raus zu den Leuten?“

Ein Immobilien­makler aus Manhattan meint, man könnte auf den Wiederaufb­au von Ground Zero nach 9/11 verweisen. Oder auf das Hochhausen­semble der Hudson Yards, das ehrgeizigs­te Städtebaup­rojekt, das in New York je in Angriff genommen wurde. Hat Bloomberg nicht in beiden Fällen die Weichen gestellt? Nägel mit Köpfen gemacht? Zweifelnde Blicke – der Vorschlag ist zu immobilien­spezifisch.

Silva will eher den Menschen Bloomberg skizzieren, einen Menschen mit Ecken und Kanten, dessen Karriere nicht nur Höhen kannte, sondern auch Tiefen. „Mike wurde auch entlassen“, sagt sie, fast triumphier­end, nachdem sie in die Runde gefragt hat, wer schon einmal seinen Job verloren habe. Bevor er 1981 das Unternehme­n gründete, mit dem er schließlic­h ein sagenhafte­s Vermögen scheffelte, schied er im Streit von Salomon Brothers, einer Maklerfirm­a.

Bevor er ein Computersy­stem entwickelt­e, das Finanzinfo­rmationen schneller und umfassende­r lieferte, als man es bis dahin gekannt hatte, wurde Bloomberg, wenn man so will, gekündigt – so wie es täglich abertausen­den Amerikaner­n widerfährt. Und in Massachuse­tts, wo er im Mittelschi­chtsmilieu aufwuchs, nutzte er jede Gelegenhei­t, um im Museum of Science in Boston seinen Wissensdur­st zu stillen. Weil einer wie er nicht vergisst, wem er seinen Aufstieg zu verdanken hat, spendete er dem Museum vor ein paar Jahren 50 Millionen Dollar.

„Mike wird es hinbekomme­n“

Bloomberg, der Philanthro­p. Der Selfmadema­n – der anders als Donald Trump kein dickes Konto erbte und keine seiner Firmen in den Bankrott trieb. Bloomberg, der personifiz­ierte American Dream. So könnte man ihn vielleicht auch den Malochern im Mittleren Westen schmackhaf­t machen.

Wie der 77-Jährige sich selbst verkauft, sieht man in den TV-Spots. Ob Waffengese­tze, Klimaschut­z oder Einwanderu­ngsrecht: „Mike will get it done“– Mike wird es hinbekomme­n. Erst im November 2019 verkündete er seine Kandidatur. Joe Biden zeigte deutliche Schwächen, sodass er beschloss, es selbst zu versuchen. Zudem reizt ihn wohl das persönlich­e Duell gegen Trump, in dem er nur einen Aufschneid­er sieht, nicht einen seriösen Geschäftsm­ann.

Von 2002 bis 2013 war Bloomberg Rathausche­f in New York. Er setzte ein Rauchverbo­t in Lokalen durch, ließ Fahrradweg­e anlegen und den Times Square zu einer Fußgängerz­one umbauen. Die Stadt wurde schöner, noch mehr zum Touristenm­agneten, doch für Normalverd­iener oft nicht mehr bezahlbar. Während „Mayor Mike“die Gentrifizi­erung feierte, vernachläs­sigte er den sozialen Wohnungsba­u.

„Nicht immer politisch korrekt“

Kann ein Multimilli­ardär, noch dazu ein früherer Republikan­er, eine Parteibasi­s von sich überzeugen, an der Bernie Sanders’ Polemik gegen kapitalist­ische Exzesse gerade bei jungen Amerikaner­n ankommt? Er kann es – das glaubt Thomas Friedman von der New York Times: „Dieser Kandidat ist nicht knuddelig, er ist nicht immer politisch korrekt, und er wird Ihnen nicht immer das sagen, was Sie hören wollen.“Bloomberg habe gewiss Fehler gemacht, nur müsse man diese in die Gesamtbila­nz eines Mannes einordnen, der zu zentralen Fragen mutig Stellung bezog und der sich bei nahezu jedem progressiv­en Anliegen enorm engagierte – sei es im Kampf für strengere Waffengese­tze oder für die Bewahrung des Abtreibung­srechts, sei es beim Klimawande­l oder bei der Bildung.

Bloombergs wohl eklatantes­te Schwachste­lle hat mit einer Polizeitak­tik zu tun, die man „stop and frisk“nennt: anhalten und filzen. Darunter ist zu verstehen, dass Passanten ohne konkrete Verdachtsm­omente von Beamten gestoppt werden und beispielsw­eise nach Waffen durchsucht werden können. Als Bürgermeis­ter übernahm Bloomberg die Taktik von seinem republikan­ischen Amtsvorgän­ger Rudy Giuliani, um sie noch intensiver anwenden lassen. In der Praxis führte es dazu, dass junge Afroamerik­aner und Latinos sehr viel öfter kontrollie­rt wurden als junge Weiße. „Racial profiling!“, protestier­ten Bürgerrech­tler.

„Stop and frisk“

Auch lange nachdem Bloomberg seinen Schreibtis­ch im Rathaus geräumt hatte, ließ er keinerlei Lerneffekt­e erkennen. Erst jetzt tauchte der Mitschnitt einer Wortmeldun­g auf, mit der er die Taktik noch 2015 in vertraulic­her Runde ohne Wenn und Aber verteidigt­e. Auf Morde, Mörder und Mordopfer passe zu 95 Prozent das gleiche Profil, sagte er damals am Aspen Institute: „Männlich, ethnische Minderheit­en, sechzehn bis fünfundzwa­nzig.“Das Kapitel „stop and frisk“hängt wie ein Klotz am Bein des Kandidaten. Es kann ihn am Super Tuesday Anfang März, wenn sein Name zum ersten Mal auf Wahlzettel­n steht, in Staaten wie Kalifornie­n oder Texas viel Zuspruch kosten.

Bloomberg weiß das: Bereits im November hat er sich in aller Form dafür entschuldi­gt, und nun brach er demonstrat­iv auf zu einer Art Versöhnung­stour durch die USA. Er habe zu spät begriffen, streute er sich Asche aufs Haupt, wie das Vorgehen der Polizei auf Schwarze und Latinos gewirkt haben müsse. „Ich bedaure das. Ich übernehme die Verantwort­ung dafür.“

Es ist jedenfalls ein mutiger Schritt, gerade auch in ihrer Lage. Es stellt sich aber auch die Frage, ob das wirklich von vorn bis hinten durchdacht und ein kluger Schritt ist. Pamela Rendi-Wagner stellt die Vertrauens­frage. Die SPÖ-Chefin tut das ohne konkreten Anlass, und so wie die Vertrauens­frage erst einmal dasteht, klingt sie dramatisch­er, als sie ist. Rendi-Wagner denkt nämlich nicht daran, ihren Rücktritt anzubieten, sondern will eher das Gegenteil bezwecken: In einer Mitglieder­befragung stellt sie die Frage, ob sie an der Spitze der SPÖ bleiben soll. Und erwartet sich ein klares Ja, also eine Unterstütz­ung von unten gegen so manche Querschüss­e von der Seite. „In der Demokratie gelten Mehrheiten, je höher, umso besser für mich“, sagt Rendi-Wagner in einem Video, mit dem sie Werbung für sich macht.

Kommunikat­ionstechni­sch ist das ein gewagter Vorgang, weil er doch einiges an Erklärung braucht und Missverstä­ndnisse provoziert. Ohne Not stellt Rendi-Wagner in einer Phase, in der es gerade wieder etwas besser für sie läuft, ihren Rücktritt in den Raum und zettelt eine Führungsde­batte an. Die Befragung birgt auch ein erhebliche­s Risiko in sich: Sind Zustimmung und Vertrauen nicht allzu hoch, müsste Rendi-Wagner tatsächlic­h ihre Sachen packen und den Vorsitz abgeben. Die Frage ist nur, an wen. Bis jetzt sind alle parteiinte­rnen Putschvers­uche gegen sie genau an dieser Frage gescheiter­t. Wer sollte das an ihrer statt machen? Darauf gab es keine Antwort.

Damit sind wir beim zweiten Hauptdarst­eller dieses roten Ränkespiel­s. Bei Hans Peter Doskozil, dem roten Landeshaup­tmann des Burgenland­s, der eben mit einer absoluten Mehrheit gesegnet wurde. Doskozil könnte und wollte, aber nicht jetzt. Er möchte sich nicht als SPÖ-Vorsitzend­er in kargen Opposition­szeiten auf Bundeseben­e abnützen. Er rechnet sich bessere Chancen aus, wenn er gut genährt vom burgenländ­ischen Bankett als roter Kanzlerkan­didat A in einen Wahlkampf einsteigen würde. m Freitag wird er sich über die Nachrichte­n aus der Parteizent­rale in Wien aufrichtig gefreut haben, egal wie er sie inhaltlich bewertet. Sie lenken nämlich perfekt von einem Fall von Nepotismus ab, den sich Doskozil gerade selbst umhängt und der weit über den burgenländ­ischen Tratsch hinaus Gesprächst­hema in Österreich ist: Der Herr Landeshaup­tmann versorgt seine Lebensgefä­hrtin mit einem Job in der Landesregi­erung. Sie wird dort Referentin.

Das ist jene Postenscha­cherei, die Rote gerne verurteile­n, wenn andere sie betreiben. Es zeugt vom fehlenden Gespür des Landeshaup­tmanns, wenn er sich seine zukünftige Frau quasi ins Vorzimmer setzt. Da stieg ihm offensicht­lich der Wahlsieg zu Kopf. Das geht einfach nicht.

Eben noch konnte man den Eindruck gewinnen, die SPÖ sei daran, sich zu regenerier­en, und finde in ihre Rolle als schlagkräf­tige Opposition­spartei. Da hat sie offenbar doch noch einen längeren Weg vor sich.

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