Der Standard

DEUTSCHLAN­D

Wer kommt nach Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbaue­r? Die CDU wirkt ziel- und führungslo­s.

- ÜBERBLICK: Birgit Baumann

Zum Sturmtief Sabine, das Anfang der Woche über Deutschlan­d fegte, kam am Montag noch ein politische­r Orkan. Annegret Kramp-Karrenbaue­r kündigte nach nur 14 Monaten an der CDU-Spitze an, den Parteivors­itz zurücklege­n zu wollen und auch die Kanzlerkan­didatur für die nächste Wahl nicht mehr anzustrebe­n.

Ausschlagg­ebend war, dass sich die CDU in Thüringen bei der Wahl des Ministerpr­äsidenten erstmals auf die Seite der rechten AfD gestellt und gemeinsam mit ihr für den FDP-Mann Thomas Kemmerich gestimmt hatte. Das wirkte am Freitag nach: Nach den Querelen erklärte auch Thüringens CDUChef Mike Mohring seinen Rückzug. AKK wird aber noch so lange im Amt bleiben, bis die Nachfolge in Berlin geklärt ist.

Problem 1: Suche unter Zeitdruck

Wenn ich richtig gezählt habe, ist das jetzt der siebente Versuch“, ätzt ExFraktion­schef Friedrich Merz am Donnerstag­abend bei einer Diskussion­sveranstal­tung in Berlin Richtung Moderator. Dieser hatte versucht, Merz zu entlocken, ob er nun bereit sei, seinen Hut in den Ring zu werfen. Einige Medien hatten dies schon gemeldet. Doch Merz bleibt vage und meint nur: „Ich habe Freude mitzumache­n.“

Das bringt ihm viel Applaus ein, Merz sitzt unter Mittelstan­dsvertrete­rn, und diese zählen auf ihn. Er jedoch erklärt, dass das personelle und das inhaltlich­e Angebot stimmen müssen. Denn: „Die Union hat nur noch einen Wurf frei, der muss sitzen.“Daher sei es wichtig, sich Zeit zu nehmen.

Aktuell laufen die Gespräche, doch der Druck steigt täglich. Die Partei ist praktisch führungslo­s, Kramp-Karrenbaue­r hält sich nur noch im Amt, um mit den infrage kommenden Kandidaten – nebst Merz der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn – eine Lösung zu finden.

Auch die Kanzlerin will mithelfen. Spahn meint übrigens im Spiegel, die CDU müsse nach den Merkel-Jahren „wieder laufen lernen“. Genau so hatte es Angela Merkel vor 20 Jahren formuliert, als die CDU sich von Helmut Kohl emanzipier­en sollte.

Inhaltlich­e Initiative­n sind von der CDU derweil nicht zu erwarten, die Personalde­batte überlagert alles. Monatelang kann sich die Partei also nicht Zeit lassen. Am Freitag hieß es, AKK wolle nun schon in zehn Tagen einen Vorschlag präsentier­en.

SProblem 2: Der Frauenmang­el

ag mir, wo die Frauen sind? Diese Frage stellt sich beim Blick auf die Nachfolges­uche. Sie beschränkt sich auf drei Männer, bei der Frage der Kanzlerkan­didatur wäre noch dazu CSU-Chef Markus Söder im Spiel – aber der will lieber in Bayern Ministerpr­äsident bleiben.

Als nach der Rückzugsan­kündigung Kramp-Karrenbaue­rs die ersten Namen durch Berlin schwirrten, wurde nicht eine einzige Frau ernsthaft genannt. Gabriele Abels, Politologi­n an der Universitä­t Tübingen, überrascht das nicht: „Es hat mich gewundert, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r überhaupt zur Parteivors­itzenden gewählt worden ist.“Denn: „Die CDU war immer eine männerdomi­nierte Partei, Angela Merkel bildete die große Ausnahme.“Und eigentlich hätten viele nach Merkels Rückzug von der CDU-Spitze wieder einen Mann als Parteivors­itzenden gewollt.

Dass mit Merkel seit Jahren eine Frau Kanzlerin ist und Parteivors­itzende war, verstellt ein wenig den Blick. Im Bundestag etwa sind die Frauen in der Union deutlich unterreprä­sentiert: Ihr Anteil macht nur 20 Prozent aus – hingegen stellen sie in der SPD 42 Prozent, bei der Linken 54 Prozent, und bei den Grünen sind es sogar 58 Prozent.

Merkel hat AKK gefördert, diese aber erwies sich letztendli­ch als Enttäuschu­ng. Auch auf Ursula von der Leyen setzte die Kanzlerin lange Zeit. Doch von der Leyen ist nun EU-Kommission­spräsident­in und raus aus der Berliner Politik. Dahinter ist auf der Spitzenebe­ne die große Leere.

Politologi­n Abels meint, große Teile der CDU wollten jetzt verstärkt „um konservati­ve Männer, die sich der AfD zugewandt haben“, buhlen. Sie dürfe aber die Frauen nicht vergessen: „Viele, gerade junge Frauen wenden sich schon heute den Grünen zu.“Daher, so Abels: „Jeder Kandidat braucht Frauen in seinem Team.“Insofern wundert es nicht, dass die Aufstellun­g noch dauert. Die Männer müssen sich einig werden – und Frauen an Bord holen.

Problem 3: Abgrenzung von der AfD

Für die Bundes-CDU ist die Sache eigentlich ganz klar: Es gibt keine Koalition oder sonstige Kooperatio­n mit der AfD. Doch in Thüringen hat sie sich damit nicht durchsetze­n können.

Auch im ostdeutsch­en Bundesland Sachsen-Anhalt gibt es durchaus Stimmen, die die Abgrenzung infrage stellen. So forderten in Magdeburg die Vizefrakti­onschefs im Landtag, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, die CDU müsse „das Soziale mit dem Nationalen“versöhnen. Solche Worte fallen nicht nur, weil es zwischen manchem konservati­ven CDU-Vertreter und AfD-Politikern auch inhaltlich­e Nähe gibt, sondern weil der CDU im Osten die Koalitions­möglichkei­ten wegbrechen. Die SPD ist vielerorts schwach, die Grünen sind nicht stark genug.

Der Beschluss vom Parteitag in Hamburg 2018, der die Zusammenar­beit mit der AfD und auch mit der Linken ausschließ­t, gilt natürlich für die gesamte Partei, also eigentlich auch für die Landesverb­ände. Anderersei­ts können CDU-Bundespoli­tiker schwerlich Abgeordnet­en in den Ländern vorschreib­en, wie sie sich verhalten sollen. Alexander Gauland, der AfD-Chef im Bundestag, ist überzeugt, dass die CDU eines Tages an Koalitione­n mit der AfD nicht mehr vorbeikomm­en werde.

Problem 4: Werteunion regt auf

Ä rger am rechten Rand? Da braucht die CDU gar nicht nur zur AfD schauen, sondern kann in ihren eigenen Reihen bleiben. Dort gibt es die „Werteunion“, einen 2017 von frustriert­en Konservati­ven gegründete­n Verein, der mittlerwei­le rund 4400 Mitglieder hat.

Das ist gemessen an der gesamten Mitglieder­zahl der Partei (rund 407.000) nicht besonders viel. Doch ihr Vorsitzend­er, Alexander Mitsch, hat es mit seiner Kritik an der seiner Ansicht nach viel zu liberalen Asylpoliti­k von Merkel und Kramp-Karrenbaue­r zu einer beachtlich­en Medienpräs­enz gebracht – auch weil er den ehemaligen Chef des Verfassung­sschutzes, HansGeorg Maaßen, an seiner Seite weiß.

Dass die Werteunion befand, die Wahl von Kemmerich in Thüringen durch FDP, AfD und CDU könne „alle Demokraten in Deutschlan­d freuen“, regt führende CDU-Politiker ziemlich auf. Selbst der von der Splittergr­uppe favorisier­te Merz erklärt: „Es wäre gut, wenn es diese Werteunion gar nicht gäbe.“Die CDU-Arbeitnehm­er wollen die Mitglieder der Werteunion aus der Partei drängen. Diese hingegen frohlocken, ohne sie sei keine Wahl zu gewinnen.

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Angela Merkel hat die CDU sehr lange, 18 Jahre, geführt. Annegret Kramp-Karrenbaue­r war nur 14 Monate an der Spitze. Jetzt wird ein Mann übernehmen. Aber wer?

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