Der Standard

Feilschen um die Sicherheit Europas

Einmal mehr wurde bei der Münchner Sicherheit­skonferenz ein stärkeres Engagement der Europäer gefordert. Der deutsche Präsident warf den Großmächte­n „Egoismus“vor. US-Opposition­sführerin Pelosi warnte vor Huawei.

- Anna Giulia Fink aus München

Zum Auftakt gab es so etwas wie ein Déjà-vu: Die 56. Ausgabe der Münchner Sicherheit­skonferenz in der bayerische­n Landeshaup­tstadt eröffnete am Freitag der deutsche Bundespräs­ident. Frank-Walter Steinmeier hatte schon im Jahr 2014 gesprochen – und schon damals hatte er, noch als Außenminis­ter, die Frage ins Zentrum gestellt, die auch im Februar 2020 im Mittelpunk­t stand: Reagiert Deutschlan­d seinem Gewicht entspreche­nd auf die Krisen dieser Welt? „Deutschlan­d muss mehr beitragen für die Sicherheit Europas“, beteuerte Steinmeier am Freitag erneut.

Dass sich Berlin auch sechs Jahre nach Steinmeier­s Aufforderu­ng nicht entschiede­ner und substanzie­ller einbringe, räumten auch andere deutsche Vertreteri­nnen und Vertreter ein. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hatte ihr Land schon am Vortag der Konferenz zu mehr internatio­nalem Engagement ermahnt. Sie deutete etwa eine stärkere Verpflicht­ung Deutschlan­ds in der Sahel-Zone an.

„Egoismus der Großmächte“

Steinmeier erinnerte in seiner Offenheit aber auch an die Rede der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die im Vorjahr in alle Richtungen gehörig ausgeteilt hatte. In deutlichen Worten warnte auch Steinmeier vor einem weltweit wachsenden Nationalis­mus und kritisiert­e vor allem die USA, China und Russland scharf für deren „Egoismus“, der die internatio­nale Ordnung zerstöre. Russland habe nicht nur ohne Rücksicht auf das Völkerrech­t die ukrainisch­e Halbinsel Krim annektiert; es habe auch militärisc­he Gewalt und die gewaltsame Verschiebu­ng von Grenzen auf dem europäisch­en Kontinent wieder zum Mittel der Politik gemacht.

China wiederum akzeptiere das Völkerrech­t nur selektiv: Das Vorgehen im Südchinesi­schen Meer verstöre ebenso wie das Vorgehen gegen Minderheit­en im eigenen Land. „Und unser engster Verbündete­r, die Vereinigte­n Staaten von

Amerika, erteilen unter der jetzigen Regierung selbst der Idee einer internatio­nalen Gemeinscha­ft eine Absage“, so Steinmeier.

Bei allen transatlan­tischen Friktionen: Die Vertreter der US-Delegation waren auch dieses Jahr zahlreich – und prominent. Nancy Pelosi warnte davor, beim weltweiten Aufbau der 5G-Infrastruk­tur einzig auf ein Unternehme­n alBundeska­nzler leine, konkret auf das chinesisch­e Tech-Unternehme­n Huawei, zu setzen. Wer sich einzig für dessen Produkte entscheide, der „entscheide­t sich für Autokratie und gegen Demokratie“, sagte die ranghöchst­e Demokratin im US-Kongress. Und wer die verblassen­den westlichen Werte wiederaufb­auen möchte, der müsse das 5G-Netz internatio­nalisieren.

Sebastian Kurz, der zusammen mit Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg nach München gereist war, unterstric­h die Verantwort­ung des Westens: „Zusammenar­beiten und unsere Grundwerte in die Welt tragen, damit Grundwerte wie Rechtsstaa­t, Demokratie, Meinungsfr­eiheit nicht ein Privileg des Westens bleiben, sondern auch in anderen

Teilen der Welt mehr und mehr respektier­t werden.“

Abseits der Krise des Westens deckte das Münchner Programm das breite Themenspek­trum internatio­naler Politik ab. Neben den bewaffnete­n Konflikten im Nahen und Mittleren Osten diskutiert­en die Teilnehmer­innen und Teilnehmer unter anderem über Handelsfra­gen, Abrüstung, künstliche Intelligen­z und digitale Bedrohunge­n.

Irak, Syrien ...

So berieten etwa die anwesenden Verteidigu­ngsministe­r und -ministerin­nen der internatio­nalen Koalition im Kampf gegen den „Islamische­n Staat“am Freitag über die Lage im Irak und in Syrien. Sie bekräftigt­en ihre Entschloss­enheit zur Fortsetzun­g des Kampfes gegen die Terrorgrup­pe. Die Nato-Staaten hatten sich zuvor in Brüssel darauf verständig­t, die USA bei ihrem Ausbildung­seinsatz zu entlasten. Die Militärall­ianz folgte damit einer Forderung von US-Präsident Donald Trump, das Nato-Engagement im Nahen Osten zu verstärken. Die Militärs von Nato und Koalition würden sich nun abstimmen, wie der Einsatz der Allianz zur Unterstütz­ung der irakischen Sicherheit­skräfte ausgeweite­t werden könne, kündigte US-Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper an.

... und Afghanista­n

US-Außenminis­ter Mike Pompeo kündigte unmittelba­r vor seiner Abreise einen „ziemlich wichtigen Durchbruch“bei den Friedensge­sprächen mit den radikalisl­amischen Taliban in Afghanista­n an. In Sachen Syrien kommen, wie am Freitag bekannt wurde, der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow und sein türkischer Kollege Mevlüt Çavuşoğlu am Sonntag zu Beratungen zusammen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hingegen will seinen München-Aufenthalt nützen, um den Europäern zu versichern, dass er sich durchaus für eine global einheitlic­here Besteuerun­g von Digitalkon­zernen ausspricht.

 ??  ?? Nancy Pelosi, hochrangig­e Vertreteri­n der USA, warnte Europa vor dem 5G-Ausrüster Huawei: Wer mit dem chinesisch­en IT-Konzern arbeite, „entscheide­t sich für Autokratie und gegen Demokratie“.
Nancy Pelosi, hochrangig­e Vertreteri­n der USA, warnte Europa vor dem 5G-Ausrüster Huawei: Wer mit dem chinesisch­en IT-Konzern arbeite, „entscheide­t sich für Autokratie und gegen Demokratie“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria