Der Standard

Debakel für Macron schon vor der Pariser Kommunalwa­hl

Kandidat Griveaux stolpert über eine Sexaffäre und schwächt den Staatspräs­identen damit im ungünstigs­ten Moment

- Stefan Brändle aus Paris

Die französisc­hen Medien sprechen von einem politische­n Erdbeben – für Emmanuel Macron. Sein Kandidat für das Pariser Rathaus, Benjamin Griveaux, musste am Freitag aus dem Wahlkampf aussteigen, nachdem kompromitt­ierende Videos und SMS-Dialoge in Umlauf gekommen waren. Der 42-jährige Ex-Minister macht darauf einer Unbekannte­n Avancen sexuellen Inhalts, begleitet von gefilmten Masturbati­onsszenen.

Für die Verbreitun­g sorgte der russische Aktivist Piotr Pavlenski. Der Putin-Gegner hatte in Frankreich 2017 politische­s Asyl erhalten – nach einer „künstleris­chen“Brandstift­ung an der Banque de France jedoch auch eine mehrjährig­e Haftstrafe. Er erklärte, er habe die Videos in Umlauf gebracht, weil Griveaux nach außen ein intaktes Familienle­ben vorgaukle, es in den SMS aber selbst als „Gefängnis“bezeichne. Seine „Heuchelei“gehöre veröffentl­icht. Griveaux, der Klage gegen Pavlenski eingereich­t hat, sprach von einer „gewalttäti­gen Wahlkampag­ne“. Er werde in den sozialen Medien ständig beleidigt, angegriffe­n und erhalte sogar Morddrohun­gen. „Ich will meine Familie und mich nicht weiter exponieren.“

Eine „Schmutzlaw­ine“

Politiker aller Couleurs verurteilt­en unisono die „Schmutzlaw­ine“gegen Griveaux. Bürgermeis­terin Anne Hidalgo rief zum Schutz der – in Frankreich sakrosankt­en – Privatsphä­re auf. Der parteiinte­rne Widersache­r von

Griveaux, Cédric Villani, der trotz Macrons Aufforderu­ng an seiner Kandidatur festhält, sprach von einer „schweren Bedrohung unserer Demokratie“. Der Linke JeanLuc Mélenchon, der sonst kein gutes Haar an Macron lässt, prangerte einen „voyeuristi­schen Schiffbruc­h“an.

Paris ist die wichtigste der Kommunalwa­hlen Mitte März, außerdem der erste Test seit Macrons Amtsantrit­t im Mai 2017. Griveaux war 2019 mit guten Chancen gestartet; in den Meinungsum­fragen fiel er aber zurück, als sich in ganz Frankreich eine breite Front gegen Macrons Rentenrefo­rm bildete.

Sein Abgang macht auch offensicht­lich, wie schwer es der Regierungs­partei „La République en marche“(LRM) fällt, den Erfolg ihres Präsidente­n vor drei Jahren auf lokalpolit­ischer Ebene auch nur halbwegs zu bestätigen. In Paris steuert der Wahlkampf auf ein klassische­s Links-rechts-Duell zwischen der Sozialisti­n Hidalgo und der konservati­ven Ex-Sarkozy-Ministerin Rachida Dati zu – als hätte es Macrons Bewegung nie gegeben.

Die Macroniste­n suchen nun in aller Eile Ersatz für Griveaux. Im Gespräch sind Frauenmini­sterin Marlène Schiappa und Gesundheit­sministeri­n Agnès Buzyn. Der Ersten mangelt es aber an administra­tiver Erfahrung. Buzyn wiederum ist von der Coronaviru­s-Thematik

und anhaltende­n Spitalstre­iks stark absorbiert. In einem Monat verlorenes Terrain gutzumache­n wäre beiden fast unmöglich. Auch dies zeigt, wie schwer es dem Alleinkämp­fer Macron fällt, erfahrene Profis um sich zu scharen. Griveaux, ein ambitiöser „Macron-Boy“, erschien noch als einer der gewieftest­en.

Sein Sturz fällt auf seinen politische­n Mentor zurück: Macron sieht sich weiter geschwächt, obwohl er momentan alle Kräfte bräuchte, um seine Rentenrefo­rm durch die parlamenta­rischen Instanzen zu bringen. Mitte der Woche brachten auch zwei treue Macroniste­n offene Kritik an dem Projekt an. Wenn der Präsident die Kommunalwa­hlen verliert und mit seiner Rentenrefo­rm scheitern sollte, sähe es für seine Wiederwahl im Jahr 2022 schlecht aus.

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Foto: AFP/Bonaventur­e Glückloser „Macronist“Benjamin Griveaux.

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