Sechs Monate bedingt für unveröffentlichte xenophobe Postings
61-jähriger Selbstständiger wollte Schießbefehl gegen und Sterilisation von Flüchtlingen und lehnte Diversionsangebot ab
Wien – Die Kolleginnen und Kollegen der STANDARD-Forenwartung haben keinen leichten Job – haben sie doch unter anderem dafür zu sorgen, dass die Diskursplattform nicht zu einer Bassenarunde voller Ausfälligkeiten und strafrechtlich Relevantem wird. Im Fall von Herrn V. ist ihnen das gelungen, sie haben sein Posting nicht freigeschaltet. Dennoch muss der 61Jährige nun vor Richter Stefan Apostol Platz nehmen.
V. wollte unter seinem Pseudonym seinen Standpunkt in der Flüchtlings- und Migrationsdebatte mit der Welt teilen. Laut Anklage unter anderem mit den Forderungen: „Grenzen schließen, Schießbefehl!“und „Aufnahme von sogenannten Flüchtlingen erst nach Sterilisation!“Da dieses
Posting quasi nie das Licht der Onlinewelt erblickt hat, ist die von Christoph Wancata vertretene Anklage etwas ungewöhnlich: Sie lautet auf versuchte Verhetzung.
Nötig wäre sie nicht gewesen, denn die Anklagebehörde hatte V. das Angebot einer diversionellen Erledigung gemacht, falls er einen Sensibilisierungskurs besucht. Das wollte der Selbstständige aber nicht, er beharrt auf einer gerichtlichen Klärung der Vorwürfe.
Der Prozess beginnt mit einer gewissen Verwirrung. Während der Überprüfung der Generalien stellt Apostol die Unbescholtenheit des Angeklagten fest. Der unterbricht: „Entschuldigung, ich glaube, Sie verwechseln mich. Ich habe Vorstrafen“, merkt er an. „Im Strafregisterauszug finde ich keine“, antwortet Apostol. V. beharrt darauf, dass er zwischen 1979 und 2006 mehrere Verurteilungen bekommen habe. „Die sind dann wohl schon verjährt“, stellt der Richter klar.
In der Sache erklärt sich der Angeklagte für nicht schuldig. Er habe die Äußerungen ganz anders gemeint. „Beim Schießbefehl habe ich Ungarn als Vorbild erwähnt“, versucht er zu erklären, dass er nicht an scharfe Munition, sondern an Gummigeschoße gedacht habe. „Wenn Sie das gemeint hätten, wäre es vielleicht besser, es auch so zu schreiben“, erwidert Apostol. „Auf wen soll Ihrer Meinung nach geschossen werden?“, fragt der Richter noch. „Muslimische Flüchtlinge.“
Aus Sicht des Richters ist für einen Normalbürger aber klar, dass scharfe Munition gemeint sei. „Und Sie haben dafür zu haften, wie es verstanden wird“, macht Apostol V. auf das kommunikationswissenschaftliche Sender-Empfänger-Modell aufmerksam, wonach die Botschaft beim Empfänger entstehe.
Auch bei der Sterilisation fühlt Herr V. sich missverstanden. In Indien würden Frauen, die sich unfruchtbar machen lassen, dafür 30 Euro bekommen, argumentiert er. Apostol kann dem Konnex zwischen einem freiwilligen Eingriff und einer verpflichtenden Sterilisation nicht ganz folgen. „Ich sehe das Problem ganz einfach Richtung Überbevölkerung“, versucht es der Angeklagte.
Was Staatsanwalt Wancata treffend aufgreift: „Sie haben also Angst vor Überbevölkerung?“, fragt er. „Sie ist schon da“, bescheidet der Angeklagte. „Warum haben Sie dann selbst drei Kinder?“, will der Ankläger wissen. V. stockt kurz, dann sagt er: „Damals gab es noch Geburtenmangel.“
Im Schlusswort begeht V. den Fehler, mit Halbwissen punkten zu wollen, was Apostol wenig goutiert. „Ich halte dieses Verfahren für nicht notwendig, ich habe keine Verhetzung begangen, da die Sätze von weniger als 30 Leuten gelesen wurden“, bemüht der Angeklagte die juristische Definition der „breiten Öffentlichkeit“. Apostol kontert kühl: „Daher ist auch der Versuch angeklagt.“
Bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren Haft entscheidet Apostol sich nicht rechtskräftig für sechs Monate bedingt. Zusätzlich ordnet er Bewährungshilfe an und erteilt V. die Weisung, den Sensibilisierungskurs zu besuchen.