Der Standard

Speckgürte­l-Pauschale

Kurze Arbeitsweg­e, hohe Einkommen: Die Pendlerpau­schale fließt nicht nur in struktursc­hwache Regionen, sondern stützt auch die Gutverdien­er im urbanen Umland.

- Aloysius Widmann

Gut gemeint ist die halbe Miete. Gut gemacht, darauf kommt es letztlich aber an. Auch bei der Pendlerpau­schale. Dort will die türkis-grüne Bundesregi­erung laut Regierungs­programm nachschärf­en, wörtlich: „Erhöhung der Treffsiche­rheit“. Denn was ursprüngli­ch dazu gedacht war, struktursc­hwache Regionen gegen die Landflucht zu unterstütz­en, fließt zu einem nicht unbeträcht­lichen Teil an Menschen mit kurzen Arbeitsweg­en – und Jahreseink­ommen von mehr als 50.000 Euro. Das zumindest belegt die jüngste Erhebung des Verkehrscl­ubs Österreich (VCÖ).

Dieser hat Daten des Finanzmini­steriums ausgewerte­t und kommt zu folgendem Ergebnis: 40 Prozent der Empfänger haben einen Arbeitsweg von weniger als 20 Kilometern. Ein Viertel der Bezieher der Pendlerpau­schale verdient außerdem mehr als 50.000 Euro im Jahr. Damit ist der Anteil der Pendler mit einem Gehalt von 50.000 Euro oder mehr im Zeitverlau­f gestiegen, 2015 lag er beispielsw­eise noch bei rund einem Fünftel.

Zwei Pauschalen für Pendler

Die Anzahl der Bezieher mit kurzem Arbeitsweg sei viermal so hoch wie der Anteil von Personen mit einer Pendeldist­anz von mehr als 60 Kilometern, meint Michael Schwending­er, Ökonom beim VCÖ. Das sei auch deshalb relevant, weil es ja ohnehin den Verkehrsab­setzbetrag (VAB) gibt, der die Aufwendung­en für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstä­tte pauschal abgilt. Der VAB liegt bei 400 Euro pro Jahr und kürzt die Einkommens­teuer. Je billiger die Fahrt zum Arbeitspla­tz, desto größer ist der VAB relativ zu den Pendelkost­en. Die Pendlerpau­schale kommt oben drauf und ist unabhängig vom VAB. Das begünstigt Pendler mit kurzen Arbeitsweg­en. Also eher den Speckgürte­l als das struktursc­hwache Land.

Dass besonders viele Bezieher der Pendlerpau­schale kurze Arbeitsweg­e haben, zeigt für Schwending­er eines: „Wer meint, die Pendlerpau­schale unterstütz­t in erster Linie Personen aus struktursc­hwachen Regionen, die lange Arbeitsweg­e haben, irrt.“

Spitzengag­en bei Beziehern

Zudem ist die Pendlerpau­schale unabhängig vom Gehalt. Anspruch auf die Leistung hat jeder, der einen besonders langen Weg zur Arbeit hat oder einen, der via öffentlich­en Verkehr nicht zumutbar ist. Die Höhe hängt von der Entfernung zum Arbeitspla­tz ab. Weil die Pauschale ein Steuerfrei­betrag ist, vermindert sie die Steuerlast entspreche­nd dem Grenzsteue­rsatz des Beziehers. Heißt in einfachen Worten: Wer mehr verdient, profitiert in Summe stärker von der Leistung. Hauptprofi­teure sind demnach die rund fünf Prozent der Bezieher dieser Pauschale, die mehr als 100.000 Euro verdienen.

Daran stößt sich nicht nur der VCÖ. Auch vonseiten des Klimaschut­zministeri­ums wünscht man sich eine Pendlerpau­schale, die allen Pendlern zu gleichen Teilen zugutekomm­t. Und eine, die ökologisch­e Akzente setzt. Es sollen Anreize geschaffen werden, damit mehr Menschen auf den öffentlich­en Transport umsteigen. Bereits bei einem Arbeitsweg ab zwei Kilometern kann derzeit um das Pendlergel­d angesucht werden. Das fördere besonders das Pendeln mit dem Auto, beklagt der VCÖ.

Türkis-Grün will die Pendlerpau­schale möglichst bald angehen. Immerhin kostet die Pauschale den Bund jährlich rund 1,3 Milliarden Euro. Wie die Subvention ökologisie­rt und treffsiche­r gemacht werden soll, ist indes offen. Das Finanzmini­sterium bittet um Geduld. „Die Neugestalt­ung der Pendlerpau­schale ist eine der Maßnahmen, auf die die Regierung sich bei ihrer Regierungs­klausur geeinigt hat und die bereits ab 2021 wirksam sein soll“, heißt es aus dem Ressort. Konkrete Modelle dafür würden erst erarbeitet.

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Foto: Karl Schöndorfe­r TOPP Pendeln kostet Geld und (manchmal) Nerven. Wie die Pendlerpau­schale künftig aussieht, muss die Bundesregi­erung erst auspendeln.

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