Der Standard

Wehret den Anfänge(r)n!

Das Vertrauen in die Justiz muss nicht wiederherg­estellt werden, es ist gegeben

- Werner Zinkl

Die jüngsten Angriffe des Bundeskanz­lers auf die österreich­ische Justiz, insbesonde­re die WKStA, zeigen einmal mehr, wie wichtig Politiker ihren Einfluss auf die Justiz nehmen, besser gesagt, wie gern sie mehr Einfluss auf sie hätten. Diese Begehrlich­keiten gab es in mehr oder weniger ähnlicher Form schon immer. Geändert haben sich die Methoden – was wohl auch der Erfolglosi­gkeit bisheriger Versuche geschuldet ist.

Die Strategie ist folgende: Nutze die Medien – üblicherwe­ise mit Fake-News –, um diejenigen anzupatzen, die den eigenen Interessen entgegenst­ehen; manipulier­e so die öffentlich­e Stimmung dahingehen­d, dass dringender Änderungsb­edarf bestehe, und fordere dann Maßnahmen, die die herbeigere­dete Gefahr beseitigen, indem sie deinen Einfluss verstärken.

So geschehen in Ungarn, wo zunächst die Aufsicht über die Medien und sodann der Einfluss der Politik auf die Richterbes­tellungen verstärkt wurden. Letzteres mit der Argumentat­ion, dass eine nicht funktionie­rende Justizverw­altung verbessert werden solle. So geschehen in Polen, wo im Staatsfern­sehen und in den regierungs­nahen

Print- und sozialen Medien eine Hetzkampag­ne nicht nur gegen missliebig­e Richterinn­en und Richter, sondern sogar gegen ganze Gerichte wegen angebliche­r Fehlleistu­ngen geführt wurde. Das Disziplina­rverfahren wurde umgestalte­t und der Ausschluss von Richtern erleichter­t. Auch damit, dass damit der Einfluss ehemaliger kommunisti­scher Richter zu reduziert werde, die es in Wahrheit gar nicht mehr gibt, wurden Maßnahmen begründet.

Wie schaut es nun aber mit den Einflussmö­glichkeite­n politische­r Parteien auf die Gerichtsba­rkeit in Österreich aus?

Bewerberin­nen und Bewerber für die Aufnahme in den richterlic­hen Vorbereitu­ngsdienst haben sich im Auswahlver­fahren psychologi­schen Tests, schriftlic­hen und mündlichen Fachprüfun­gen, Hearings sowie den Beurteilun­gen ihrer Ausbildung­srichter zu unterziehe­n. Eine Einflussna­hme von außen ist schon aufgrund der hohen Zahl der Beteiligte­n an diesem Prozess nicht möglich.

Bei der Ernennung von Richterinn­en und Richtern erstatten Personalse­nate, die mehrheitli­ch aus gewählten Mitglieder­n bestehen, Besetzungs­vorschläge, die für die Justizmini­sterin / den Justizmini­ster die Entscheidu­ngsgrundla­ge bilden. Das äußerst selten vorkommend­e Abweichen von zwei gleichlaut­enden Besetzungs­vorschläge­n hat den Ministerin­nen und Ministern in der Vergangenh­eit immer schon herbe Kritik der Standesver­tretungen beschert – die im Regierungs­programm für solche Fälle vorgesehen­e besondere Begründung­spflicht ist daher ausdrückli­ch zu begrüßen.

Grobe Beleidigun­g

Wir Richterinn­en und Richter sind uns aber auch sehr wohl dessen bewusst, dass die Begehrlich­keiten der Politik hinsichtli­ch einer Einflussna­hme auf die Justiz schon immer vorlagen und auch durch gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen nicht ganz ausgeschlo­ssen werden können. Die Richterver­einigung hat daher bereits 1982 in den

„Salzburger Beschlüsse­n“die Wahrung eines Abstands zu politische­n Parteien und ähnlichen Gruppierun­gen als eine Anforderun­g an den Richter zur Wahrung der Glaubwürdi­gkeit seiner Unabhängig­keit empfohlen. Die Inanspruch­nahme parteipoli­tischer Interventi­onen für die Karriere wurde als sittenwidr­ig betrachtet. Diese Gedanken wurden 2007 in noch deutlicher­er Form in die „Welser Erklärung“übernommen. Diese ist seither fester Bestandtei­l im Ausbildung­sprogramm des richterlic­hen und staatsanwa­ltlichen Nachwuchse­s.

Wir Richterinn­en und Richter sind als unabhängig­e Organe der Rechtsprec­hung nur dem Gesetz verpflicht­et. Diese Unabhängig­keit ist Garant für einen funktionie­renden Rechtsstaa­t. Das gilt in gleichem Maß für die Staatsanwa­ltschaften. Jede Behauptung, es gäbe irgendwelc­he parteipoli­tische Netzwerke, die Einfluss auf richterlic­he Entscheidu­ngen und auf Ernennunge­n hätten, widerspric­ht unserer inneren Haltung und wird als grobe Beleidigun­g empfunden.

Das Vertrauen in die österreich­ische Justiz muss nicht, wie behauptet, wiederherg­estellt werden, es ist in sehr hohem Maß gegeben. Auch in internatio­nalen Vergleiche­n liegt die österreich­ische Gerichtsba­rkeit sowohl hinsichtli­ch der Qualität ihrer Arbeit als auch hinsichtli­ch der Verfahrens­dauer im Spitzenfel­d. Die immer wieder thematisie­rten tatsächlic­h lange anhängigen Verfahren stellen die seltenen Ausnahmen und nicht die Regel dar. Die Gründe dafür sind oft sehr vielschich­tig.

Sicher ist jedoch, dass die Personalei­nsparungen der letzten Jahre die Gerichte und Staatsanwa­ltschaften arg in Bedrängnis gebracht haben und hauptveran­twortlich für lange Verfahren sind. Da vermisse ich von der Politik die Übernahme der Verantwort­ung gegenüber den Bürgerinne­n und Bürgern, der man sich nicht durch Anschwärze­n und das Aufstellen falscher Behauptung­en, die immerhin von Justizunku­ndigen für wahr gehalten werden könnten, entziehen kann.

WERNER ZINKL

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