Der Standard

Schöne neue Bürowelt

In Zeiten, in denen Großraumbü­ros längst keine Seltenheit mehr sind, sprießen verschiede­ne Gestaltung­smöglichke­iten förmlich aus dem Boden. Das Stichwort der Stunde lautet Flexibilit­ät.

- Thorben Pollerhof

Dachgleich­e bei Bauteilen 1 und 2: Quartier Belvedere Central in der Zielgerade­n

Tastaturge­tippsel, knallende Türen, Kolleginne­n und Kollegen, die mit drahtlosen Kopfhörern auf dem Kopf telefonier­end durch die Gänge flanieren. Großraumbü­ros sind eine akustische Herausford­erung für den Verstand, der sich auf seine Arbeit konzentrie­ren möchte. Das hielt Arbeitgebe­r lange nicht davon ab, immer mehr auf diese Art des Arbeitspla­tzes zu setzen. Dem werden neuerdings aber schöner verpackte Konzepte entgegenge­stellt: Coworking, Space Sharing Working, Office 4.0. Hauptsache flexibel.

Wer lediglich einen großen Raum zum Arbeiten hat, der braucht zumindest die passenden Möbel, um Individual­ität reinzubrin­gen. Das geht von Schreibtis­chen, die modular aneinander­gereiht werden können, über Kastln, die zum Verstauen und zum Sitzen verwendet werden, hin zu Sesseln, die so entworfen sind, dass sie den darauf Sitzenden akustisch von der Außenwelt abschirmen. Alles, damit die Unkonzentr­iertheit und die mangelnde Privatsphä­re nicht so ins Gewicht fallen. Denn das früher hochgelobt­e Konzept des Großraumbü­ros ist längst nicht so genial, wie es vor allem die Firmen verkaufen, die sie einführen.

Eine Harvard-Studie aus dem Jahr 2018 fand heraus, dass die Kommunikat­ion in Großraumbü­ros weniger wird im Vergleich zu jener in einzelnen Räumen. Darüber hi

Wien – Sie heißen Bauteil 1 und 2, aber sie sind die letzten beiden Etappen des Quartier Belvedere Central beim Wiener Hauptbahnh­of. Entwickler UBM und s Immo haben kürzlich die Dachgleich­e gefeiert.

70 Prozent der 38.000 m² an vermietbar­er Fläche sind bereits vergeben. In den Geschäftsf­lächen im Erdgeschoß wird ein Hofer-Markt einziehen, weiters eine Apotheke, eine Filiale der deutschen Franchise-Burger-Restaurant­kette „Hans im Glück“sowie eine Dependance von Kieser Training (die von der Favoritens­traße ins QBC übersiedel­n wird). An Büromieter­n stehen das Wirtschaft­sprüfungs- und Steuerbera­tungsunter­nehmen Grant Thornton und der Immobilien­dienstleis­ter CBRE bereits fest, außerdem wird der österreich­ische Anbieter von serviciert­en Büros, Your Office, in den Stockwerke­n 7 und 8 einziehen (und damit im QBC seine Flächen erweitern). Verkauft wurden die beiden Bauteile bereits im Vorjahr an Investor EPH Eastern Property Holdings für 233 Millionen Euro. Die Fertigstel­lung ist für das vierte Quartal 2020 geplant. (mapu) naus gibt es Erhebungen, die von häufigeren Krankheits­fällen und mangelnder Produktivi­tät berichten, so wie eine Umfrage aus Dänemark das bereits 2011 gezeigt hat.

Der größte Punkt dürfte allerdings der sein, der Ihnen am Anfang dieses Texts wohl bereits grausige Erinnerung­en beschert hat. Die Geräuschku­lisse eines Großraumbü­ros wirkt sich negativ auf die Leistung aus, das fand eine Studie von 2013 heraus. Bei dem Experiment ging es nicht darum, hoch-komplexe Aufgaben zu lösen – sondern grundlegen­de Arithmetik. Warum wurde also so lange an Großraumbü­ros festgehalt­en?

Bis zu den Ergebnisse­n der Harvard-Studie war es oft ein Argument, dass Großraumbü­ros die Kommunikat­ion zwischen den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn fördern. Praktisch, dass gleichzeit­ig die finanziell­e Frage durch die Großrauman­twort ausreichen­d erfüllt wurde: mehr Mitarbeite­r pro Quadratmet­er. Und die Studie erklärt weiter, Routineauf­gaben ließen sich in großen Räumen besser ausführen als in kleinen – das gilt aber nicht für kreative Arbeiten. Es sind also Lösungen gefragt, die Großraumbü­ros in geeignete Arbeitsräu­me verwandeln.

Eine Aufteilung in Arbeitsflä­chen und Rückzugsor­te. Hier kommen wieder modulare Möbel ins Spiel. Wenn das aber nicht ausreicht, spielt der Begriff Flexible Working heutzutage seine mythenumwo­benen Karten aus.

Im Grunde genommen geht es darum, möglichst flexible Lösungen für alle, Kreative sowie Ausführend­e, zu finden. Da kann es sein, dass Kolleginne­n und Kollegen in einem größeren Raum sitzen, nebenan aber extra ein Raum für Besprechun­gen liegt und ein Zimmer weiter eine Telefonzel­le zum Zurückzieh­en steht. Oft sind diese Flexible Offices Großraumbü­ros, die mit einund ausbaubare­n Trennwände­n unterteilt sind. „Bürowelten“werden diese dann gern genannt und zeigen, dass sich die Zeit des großen Raums mit ungetrennt­en Tischen dem Ende zuneigt.

Damit einhergehe­nd nennen Expertinne­n und Experten auch die sich verändernd­en Führungspr­aktiken in der Generation Y und Z. Flache Hierarchie­n, Transparen­z und Kommunikat­ion – für einzelne Büros ist da also kein Platz mehr und, wie bereits angesproch­en, sinkt die Kommunikat­ion im Großformat. Der Raum beeinfluss­e die Kultur und vice versa.

Flexibilit­ät gefragt

Y und Z. Zwei Buchstaben, die in diesem Kontext eine große Rolle spielen. Denn ein großes Argument der Flexible-Working-Betreiber ist, dass sich diese neue Art von dynamische­n Büros nicht an die Boomer richtet, sondern an die jungen Leute. Die würden es bevorzugen, flexibel zu sein, räumlich und zeitlich. Der Arbeitspla­tz solle zu einem Ort werden, an dem man gern seine Zeit verbringt. Mixt man noch den Begriff Coliving hinzu, hat man das Gefühl, die Ys und Zs dieser Welt werden zukünftig ihr flexibles Büro nie wieder verlassen.

Flexible Working und modulare Büromöbel werden die Nachteile des Großraumbü­ros nicht alle ausmerzen können. Und doch dürften der Schritt in Richtung Flexibilit­ät und auch der Mut zur Individual­ität für die Gesundheit und das Wohlbefind­en der Arbeitnehm­er gut sein. Während also die Grenzen zwischen den Arbeitsplä­tzen wieder gezogen werden, verschwind­en sie im Hinblick auf Arbeit und Privatlebe­n. Flexibel muss Mensch und Maschine sein.

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Großraum war einmal: Heute wird unter anderem mit modularen Möbeln von Anbietern wie Actiu auf flexible Arbeitsplä­tze gesetzt.

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