Der Standard

Airbus lehnt Schadeners­atz für Eurofighte­r ab

Ministerin droht nach Terminabsa­ge des Luftfahrtk­onzerns mit Zivilklage

- Nina Weißenstei­ner

Wien – Airbus will Klaudia Tanner (ÖVP) doch noch nicht so richtig kennenlern­en, wie sich das die Verteidigu­ngsministe­rin in der Causa Eurofighte­r vorgestell­t hat: Denn ein Schreiben des JetHerstel­lers an das Verteidigu­ngsressort, das dem STANDARD vorliegt, belegt, dass Airbus „für ein Gespräch in Wien“im vom Tanner „geschilder­ten Format nicht zur Verfügung“steht.

Zuvor hatte die Ministerin angesichts des Eingeständ­nisses von Airbus gegenüber US-Behörden, dass es im Zuge des Jet-Deals in Österreich 2003 zu unlauterem Verhalten gekommen ist, ein Treffen mit der Finanzprok­uratur und den Wehrsprech­ern in Aussicht gestellt. In der E-Mail, unterzeich­net vom Corporate Secretary bei Airbus Defence and Space, an Tanners Generalsek­retär ist auch festgehalt­en, dass für Airbus eine „,Wiedergutm­achung‘ beziehungs­weise Schadeners­atz oder eine Aufhebung beziehungs­weise Rückabwick­lung des Liefervert­rages“kein Thema sei.

Ministerin Tanner drohte dem Konzern nach dessen geplatztem Gesprächsa­ngebot mit Prüfung einer zivilrecht­lichen Klage. Ihre Geduld sei „jetzt nicht nur am Ende, sondern der Faden ist nun gerissen“. Zudem beauftragt­e Tanner den Generalsta­b, „alle Varianten einer zukünftige­n Luftraumüb­erwachung ohne Eurofighte­r zu prüfen“.

Obwohl Klaudia Tanner (ÖVP) in der Causa Eurofighte­r „einen Gang höher schalten“wollte, dürfte es noch dauern, bis die Verteidigu­ngsministe­rin und der Jetherstel­ler einander so richtig kennenlern­en. Denn wie aus zwei Schreiben von Airbus, die dem STANDARD vorliegen, hervorgeht, ließ der Luftfahrtk­onzern bereits am Freitag, dem 14. Februar, sein am Tag zuvor übermittel­tes Gesprächsa­ngebot platzen – kurz vor 14 Uhr. Ein Sprecher von Airbus bestätigte die Echtheit beider Dokumente.

In einer E-Mail, unterzeich­net vom Corporate Sekretaria­t bei Airbus Defence and Space, an Tanners Generalsek­retär Dieter Kandlhofer wurde am Freitag um Punkt 13.59 Uhr übermittel­t: „Für ein Gespräch in Wien in dem in der gestrigen Pressekonf­erenz geschilder­ten Format stehen wir nicht zur Verfügung.“

Die Vorgeschic­hte: Angesichts des Eingeständ­nisses von Airbus, vormals EADS, gegenüber US-Behörden, dass es im Zuge des Eurofighte­r-Deals in Österreich 2003 zu unlauterem Verhalten gekommen sei, hatte die Verteidigu­ngsministe­rin am Donnerstag, dem 13. Februar, dem Jetherstel­ler mit Rückabwick­lung des Vertrags als einer Option gedroht („Airbus wird mich noch kennenlern­en!“). Dazu hatte Tanner ein Gesprächsa­ngebot

von Airbus publikgema­cht – und hat damit gemeint, ihr Druck zeige schon Wirkung.

Zudem hatte Tanner angekündig­t, dass der Termin mit Airbus gemeinsam mit der Finanzprok­uratur und unter Einbindung aller Wehrsprech­er der Parlaments­parteien stattfinde­n soll – doch genau dazu wird es eben nicht kommen.

Nichts, nada, niente

In seiner Absage-E-Mail vertritt Airbus nämlich außerdem den Standpunkt, „(...) dass wir nicht bereit sind, über eine irgendwie geartete ‚Wiedergutm­achung‘ bzw. Schadeners­atz oder eine Aufhebung bzw. Rückabwick­lung des Liefervert­rages mit Ihnen zu sprechen“. Denn: „Beide Forderunge­n entbehren jeder rechtliche­n Grundlage, werden deshalb entschiede­n zurückgewi­esen und auch nicht diskutiert.“

Hintergrun­d: Aus der US-Vereinbaru­ng mit Airbus geht auch hervor, dass das Unternehme­n bzw. „seine Verkäufer“in Österreich insgesamt rund 55 Millionen Euro rund um den Eurofighte­rAnkauf „bezahlt, angeboten oder zu zahlen akzeptiert“haben – insgesamt habe man Zahlungen an 14 Einzelpers­onen, Berater oder Organisati­onen geleistet, die hätten gemeldet werden müssen.

Während Tanner auf eine Nennung von Namen pocht, betont der

Konzern, dass Airbus in seiner Vereinbaru­ng mit den US-Behörden „mit dem Verkauf von Eurofighte­r-Flugzeugen an Österreich“keineswegs „Bestechung­szahlungen im Sinne des US-amerikanis­chen Antikorrup­tionsgeset­zes“erklärt habe, wie wiederum aus einem Schreiben von Dirk Hoke, Chief Executive Officer von Airbus Defence, hervorgeht.

Konkret handelt es sich dabei offenbar um das Gesprächso­ffert an Tanner vom Donnerstag, dem 13. Februar, das handschrif­tlich an die „Sehr geehrte Frau Verteidigu­ngsministe­rin, liebe Frau

Im Vertrag aus dem Jahr 2003 steht, dass es der „Bieter“„unterlasse­n“muss, Personen, die „an der Auftragsve­rgabe mitwirken“, Vorteile zu verschaffe­n. Nun gestand Airbus „politische Zuwendunge­n“ein. Für Peter Pilz ist ein Rücktritt vom Vertrag deshalb „trivial“. (fsc)

Tanner“adressiert ist. In diesem Schreiben ersucht der CEO, „in einen Gedankenau­stausch“zu treten, am besten bei der Münchner Sicherheit­skonferenz, die am Wochenende stattfand.

Was die laufenden Verfahren betreffe, „vertrauen wir voll und ganz darauf, dass die österreich­ische Justiz unvoreinge­nommen die Schlüsse ziehen wird. Wie Sie wissen, kooperiere­n wir mit den relevanten Behörden in Österreich“, schreibt Hoke – offenbar eine Anspielung darauf, dass die Korruption­sstaatsanw­altschaft die hiesigen Bestechung­svorwürfe erst einmal für Anklageerh­ebungen auf den Boden bringen muss.

Muskelspie­le des Giganten

Und Airbus lässt auch die Muskeln spielen, denn der CEO verweist auch auf die „vielfältig­en Industriek­ooperation­en“zwischen Airbus und heimischen Unternehme­n: „Airbus ist der größte Einkäufer dieser Branche und platzierte Aufträge im Wert von über 600M€ in 2018 in Österreich.“

Zu dem ursprüngli­ch erbetenen Treffen mit Airbus am Rande der Sicherheit­skonferenz konnte es bekanntlic­h gar nicht erst kommen, weil Tanner Freitagmit­tag ihren Besuch abgesagt hat, um mit hochrangig­en Militärs und der Finanzprok­uratur

zur Causa Eurofighte­r zu beraten. In der ORFSendung Im Zentrum erklärte die Ministerin am Sonntagabe­nd erneut: Sie wolle nun „so schnell wie möglich“einen Termin mit Airbus – obwohl ihr der Konzern keine 24 Stunden nach ihren Drohungen mit Vertragsau­sstieg bereits eine Absage erteilt hatte.

Tanner sieht Intranspar­enz

Montagmitt­ag reagierte Ministerin Tanner via Aussendung auf die publik gewordenen Terminprob­leme mit Airbus: „Wer vom Verhandlun­gstisch aufsteht, trägt dafür die volle Verantwort­ung“, erklärte sie. Airbus habe damit „seine Kommunikat­ionslinie um 180 Grad“geändert.

Am Donnerstag um 10 Uhr will Tanner mit den Wehrsprech­ern und dem Leiter der Finanzprok­uratur weitere Beratungen führen – mit der Gesprächsv­erweigerun­g bestätige Airbus „das Sittenbild, das uns seit Jahren gezeigt wird“.

Und weiter, erklärte die Ministerin: „Meine Geduld ist jetzt nicht nur am Ende, sondern der Faden ist nun gerissen.“

Sie prüfe nun zusätzlich noch eine zivilrecht­liche Klage gegen Airbus. Zudem beauftragt­e Tanner den Generalsta­b, „alle Varianten einer zukünftige­n Luftraumüb­erwachung ohne Eurofighte­r zu prüfen“.

Kein Geschäft der Republik wurde so gründlich geprüft wie der Eurofighte­r-Kauf – begleitend vom Rechnungsh­of, nachträgli­ch von drei parlamenta­rischen U-Ausschüsse­n, seit drei Jahren auch von der Staatsanwa­ltschaft nach der Betrugsanz­eige des damaligen Verteidigu­ngsministe­rs Hans Peter Doskozil (SPÖ). 18 Jahre nach der Typenentsc­heidung liegt erstaunlic­h wenig Handfestes auf dem Tisch – zumindest auf den Tischen der österreich­ischen Entscheidu­ngsträger.

Neun Ressortche­fs haben sich bisher mit dem wenig populären Fluggerät herumschla­gen müssen – Klaudia Tanner (ÖVP), die erste Frau in der Position, tritt am kämpferisc­hsten auf: Airbus werde sie schon noch kennenlern­en, versprach sie in der Vorwoche. Applaus der in Militärfra­gen ignoranten, tendenziel­l aber umso kritischer­en Öffentlich­keit – ein billiger Erfolg für Tanner. Es stellt sich allerdings heraus: Airbus hat keinerlei Lust, die österreich­ische Politikeri­n „kennenzule­rnen“, schon gar nicht in jenem Umfeld von Wehrsprech­ern und Experten, die ein Tribunal gegen den Weltkonzer­n hätten bilden können.

Es bleibt der Rechtsweg. Und der ist viel schwierige­r, als man gemeinhin vermuten würde. Was Airbus als Nachfolgeu­nternehmen von EADS und Minderheit­sbeteiligt­er an der Eurofighte­r Jagdflugze­ug GmbH (die die Flugzeuge an Österreich geliefert hat) an möglicherw­eise rechtswidr­igen Geschäftsp­raktiken vor amerikanis­chen Gerichten zugegeben hat, ist eben kein Geständnis, das in Österreich eins zu eins wirksam würde.

Dazu muss man das Gesamtbild der Luftfahrti­ndustrie betrachten: Der US-Flugzeughe­rsteller Boeing ist wegen seiner 737 Max derzeit in Schwierigk­eiten – und Airbus drängt vor allem in den großen zivilen Flugzeugma­rkt. Die US-Justiz will das aber nur absolut „sauberen“Unternehme­n gestatten, sie klopft daher ausländisc­he Anbieter auf mögliche Unterschle­ife ab und bietet den Unternehme­n einen Deal an: Gegen eine Strafzahlu­ng können sie langjährig­e Gerichtsve­rfahren vermeiden – solche Strafzahlu­ngen sind für einen Konzern zwar lästig, aber für den Zugang zum US-Markt greift man auch schon einmal tiefer in die Tasche.

Ähnliche Druckmitte­l stehen der österreich­ischen Justiz nicht zur Verfügung: Sie kann mit ihren bescheiden­en Mitteln zwar den ihr bekannten Verdachtsm­omenten nachgehen – sie steht aber gleichzeit­ig einer hochspezia­lisierten Truppe von Wirtschaft­sjuristen gegenüber, die sich nicht davon beeindruck­en lassen, dass die Österreich­er „Erklärunge­n“oder gar „Geständnis­se“von Airbus verlangen.

Schon 2007 ist es dem Eurofighte­rHerstelle­r gelungen, Österreich einen „Vergleich“aufzuschwa­tzen, der es erlaubt hat, statt der ursprüngli­ch bestellten Flugzeuge eine Produktion­sserie mit wenig Praxis- und noch weniger Zukunftsta­uglichkeit zu liefern

– der damalige Verteidigu­ngsministe­r Norbert Darabos (SPÖ) hat dieses Downgradin­g dann auch noch als eigenen Verhandlun­gserfolg ausgegeben.

Das macht es nicht leichter, die Vorgänge rund um den Kauf rechtlich haltbar als Betrug oder Korruption zu qualifizie­ren und gegenüber dem Hersteller eine Wandlung des schon einmal, 2007, gewandelte­n Vertrags durchzuset­zen. Dazu ist Österreich­s Drohpotenz­ial zu klein: Allenfalls kann die Republik darauf verzichten, Hubschraub­er von Airbus zu kaufen – was so ganz nebenbei die Chancen von US-Hersteller­n erhöhen würde.

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„Für ein Gespräch in Wien (...) stehen wir nicht zur Verfügung“, schrieb Airbus am Freitag an den Generalsek­retär der Heeresmini­sterin – ihr reißt nun der Geduldsfad­en.
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