Der Standard

EU gespalten bei Beitragsra­batten

Budget der nächsten sieben Jahre soll finalisier­t werden

- Manuela Honsig-Erlenburg

Brüssel – Diese Woche dreht sich in Brüssel alles um das EU-Budget für die nächsten sieben Jahre. Die Europamini­ster der Mitgliedss­taaten diskutiere­n auch heute, Dienstag, weiter über den Kompromiss­vorschlag von EU-Ratspräsid­ent Charles Michel, der Beiträge von 1,074 Prozent der jeweiligen Wirtschaft­sleistung vorsieht. Das ist Nettozahle­rn wie Österreich zu viel. Sie wollen auch ihre Rabatte nicht aufgeben. Die Staats- und Regierungs­chefs sollen von Donnerstag an bei einem Sondergipf­el in Brüssel zu einer Einigung kommen.

Alle sieben Jahre wieder steht die mühsame Debatte um das EU-Budget der nächsten Jahre an. Das Ringen um Beitragshö­hen und Investitio­nsschwerpu­nkte verläuft immer ähnlich, als Ringen bis zur letzten Minute. Dieses Mal freilich kommt eine Tatsache verschärfe­nd hinzu: Die Briten tragen bekanntlic­h nicht mehr zum künftigen Europa-Budget bei. Was bisher von 28 Mitgliedsl­ändern gestemmt wurde, müssen jetzt 27 bewältigen.

Vor dem am Donnerstag beginnende­n Sondergipf­el gehen die Wogen nochmals richtig hoch. Auf dem Tisch liegt als Diskussion­sgrundlage derzeit der Kompromiss­vorschlag von EU-Ratspräsid­ent Charles Michel, der die Budgetverh­andlungen führt. Am Montag wurde erstmals auf Europamini­sterebene darüber beraten. 1,074 Prozent des Bruttonati­onaleinkom­mens (BNE) sollen die 27 EUStaaten beitragen. Eine Prozentzah­l, die den EU-Nettozahle­rn nach wie vor zu hoch ist.

Nur ein Prozent

Dänemark, Schweden, Österreich und die Niederland­e wollen nur ein Prozent zahlen. Zuletzt hatte Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz einen Spielraum „irgendwo zwischen einem Prozent und 1,11 Prozent“eingeräumt, gleichzeit­ig aber seine Vetodrohun­g bekräftigt. Deutschlan­d, ebenfalls ein Nettozahle­rland, nennt keine Zahlen, drängt aber auf Sparsamkei­t.

Mit einem Gastkommen­tar für die Financial Times, mitunterze­ichnet von den Premiers der Niederland­e, Dänemarks und Schwedens, sorgte Kurz am Wochenende

für weiteren Diskussion­sstoff. Darin wiederholt der Kanzler seine Forderung eines Beitragsra­batts. „Wir bestehen auf dauerhafte­n Nettokorre­kturen, um exzessive Ungleichge­wichte beim Budget zu verhindern und eine faire, nachhaltig­e Lösung zu erzielen“, schrieb Kurz. Mit dem BritenRaba­tt sollen nach dem Willen der EU-Kommission auch die später eingeführt­en Rabatte für andere Nettozahle­r enden. Wenn dies geschehe, würden Deutschlan­d, die Niederland­e, Schweden, Österreich und Dänemark allein 75 Prozent aller Nettobeitr­äge ins EU-Budget zahlen, so Kurz.

Parteikoll­ege und Vizepräsid­ent des EU-Parlaments Othmar Karas kritisiert­e bei einem Pressegesp­räch in Wien die Position Österreich­s. Statistike­n über Nettozahle­r und -empfänger als Maßstab für Fairness seien nicht zielführen­d. Rabatte seien „der Beginn der Rosinenpic­kerei“, betonte Karas.

Die grüne Delegation­sleiterin Monika Vana ergänzte: „Rabatte sind nicht fair, nicht solidarisc­h, erhöhen nur die Intranspar­enz des Budgets.“Beide betonten, wirtschaft­liche Vorteile des gemeinsame­n Marktes stellten für Österreich ein Vielfaches der Beitragsza­hlungen dar. Keine Erhöhung zu akzeptiere­n und gleichzeit­ig keinen Cent an Rückflüsse­n verlieren zu wollen, gehe „auf keine Kuhhaut“, echauffier­te sich auch EUParlamen­tarier Andreas Schieder.

Für das EU-Parlament ist ein Prozentant­eil von 1,3 die einzig sinnvolle Beitragshö­he. Der Michel-Vorschlag bedeute zum Beispiel 30 Prozent weniger Mittel für Forschungs­programme wie Horizon 2020, 48 Prozent weniger Mittel für das Bildungspr­ogramm Erasmus und 36 Prozent weniger für transeurop­äische Infrastruk­tur, rechnete Karas vor.

Zur Diskussion steht bei den Budgetverh­andlungen auch eine Reform des EU-Budgets, durch die die EU befähigt werden könnte, mehr direkte Einnahmequ­ellen zu lukrieren. Bisher bekommt sie nur Zölle oder die Einnahmen aus Kartellstr­afen, kleine Summen. Michel schlägt eine Abgabe auf Plastikmül­l vor, zur Diskussion steht auch eine CO2-Steuer. Insgesamt könnten so etwa 14 bis 15 Milliarden Euro pro Jahr eingenomme­n werden. Beim Sondergipf­el am kommenden Donnerstag will Michel eine Einigung erreichen, was aber schwierig werden dürfte, hört man aus den Delegation­en.

Neue Mission im Mittelmeer

Bei einem weiteren, budgetrele­vanten Streitthem­a hat es am Montag eine Grundsatze­inigung gegeben. Die EU will das Waffenemba­rgo gegen Libyen künftig mit einer neuen Marinemiss­ion überwachen – aber eine „militärisc­he Mission, keine humanitäre“, wie Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg in Brüssel betonte. Zuletzt war darüber diskutiert worden, die Marinemiss­ion „Sophia“wiederzube­leben, die ursprüngli­ch Menschenha­ndel eindämmen sollte. Dagegen wehrte sich jedoch unter anderem Österreich aus Angst vor einem „Pull-Effekt“auf Flüchtling­e mit Erfolg.

Zum österreich­ischen Veto gegen „Sophia“gingen am Montag sowohl Vana als auch Karas auf Distanz: Der Pull-Effekt lasse sich durch keine einzige Zahl belegen, betonte Karas.

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Am EU-Budget scheiden sich die Geister: Die Kommission will 1,114 Prozent des BNE, das Parlament 1,3 – und Österreich nur ein Prozent.

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