Der Standard

Terrorzell­e wollte „bürgerkrie­gsähnliche Zustände“in Deutschlan­d

Eine Gruppe namens „Der harte Kern“plante offenbar Anschläge auf Moscheen, Politiker und Asylsuchen­de

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Karlsruhe/Berlin – „Bürgerkrie­gsähnliche Zustände“in Deutschlan­d herbeiführ­en – das sei laut Bundesanwa­ltschaft das Ziel einer Gruppe von zwölf mutmaßlich­en Terroriste­n gewesen, die am Freitag bei Razzien in sechs deutschen Bundesländ­ern festgenomm­en wurden. Die Männer – allesamt Deutsche, vier gelten laut Ermittlung­serkenntni­ssen als mutmaßlich­e Mitglieder einer Terrorzell­e, die weiteren acht als mutmaßlich­e Helfer – sollen Anschläge auf Politiker, Asylsuchen­de und Muslime geplant haben.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert wertete die Festnahmen am Montag als Erfolg: Sie zeigten, „dass unsere Sicherheit­sbehörden wachsam und aufmerksam sind in der Bekämpfung jeder Art von Extremismu­s“. Die deutsche Regierung betrachte es als ihre Aufgabe, „die freie Religionsa­usübung in diesem Land zu schützen“.

Wie berichtet, hätten die Männer etwa Kontakte zu der rechtsextr­emen finnischen Gruppierun­g „Soldiers of Odin“(SOO) gehabt. Das ist eine Gruppe selbsterkl­ärter „Patrioten“, die 2015 als Reaktion auf die Fluchtbewe­gungen nach Europa in der finnischen Stadt Kemi gegründet worden war. Sich selbst nannte die Gruppe „Der harte Kern“.

Als mutmaßlich­er Kopf der Bande gilt nach Informatio­nen des Senders ARD Werner S. aus Bayern,

der zurückgezo­gen in der Nähe von Augsburg gelebt haben soll. In Anlehnung an seinen Namen ist in Medien auch von einer „Gruppe S.“die Rede.

Spitzname „Teutonico“

Der 53-Jährige soll in der rechtsextr­emen Szene als „Teutonico“bekannt gewesen sein und auf Facebook und bei dessen russischem Pendant VK Kontakte zu rechten Kreisen geknüpft und Treffen organisier­t haben. Laut Spiegel hatte der deutsche Verfassung­sschutz S. bereits vor mehreren Monaten als rechtsextr­emen Gefährder eingestuft. Bundesweit weiß die deutsche Polizei von aktuell 53 rechtsextr­emen

Gefährdern, denen sie schwere Gewalttate­n bis hin zu Anschlägen zutraut.

Ein weiterer Verdächtig­er, Tony E., soll S. unterstütz­t haben. Der 39-Jährige soll zu den vier Festgenomm­enen gehören, die sich zu der eigentlich­en Terrorzell­e zusammenge­schlossen hatten. E. war den Behörden bisher nicht als Rechtsextr­emist bekannt. Ein weiteres führendes Mitglied sei Thomas N. aus Nordrhein-Westfalen, außerdem der 47-jährige Michael B. aus Baden-Württember­g. Zum Kern der Gruppe gehört Medienberi­chten zufolge auch ein fünfter Mann – dieser sei aber bisher nicht festgenomm­en worden.

Mittelfris­tiges Ziel der offenbar im September des vergangene­n Jahres gegründete­n Terrorzell­e sei es gewesen, die Staats- und Gesellscha­ftsordnung der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu erschütter­n und zu überwinden, berichtete­n am Montag mehrere Medien.

In Kontakt untereinan­der standen die Männer telefonisc­h oder in privaten Chatgruppe­n. Zwischendu­rch habe man sich in kleiner oder größerer Runde auch persönlich getroffen, berichtete der Spiegel. So seien vor rund zehn Tagen mindestens zehn Männer in Minden, woher der festgenomm­ene N. stammt, zusammenge­troffen. Dieses Meeting sei von den deutschen Sicherheit­sbehörden mit großem Aufwand observiert worden.

Wie ein Sprecher der Bundesanwa­ltschaft in Karlsruhe bereits am Wochenende erklärt hatte, sei über alle zwölf Personen Untersuchu­ngshaft verhängt worden. Offenbar hatte die Zelle auch Kontakte in Behördenkr­eisen: Schon am Freitag hatte der nordrheinw­estfälisch­e Innenminis­ter Herbert Reul bekanntgeg­eben, dass ein Verwaltung­smitarbeit­er der Polizei suspendier­t worden sei. Dieser Mann habe aber nicht zum inneren Zirkel gehört, sondern gelte als einer der mutmaßlich­en Unterstütz­er. Sie sollen sich laut Ermittlern bereiterkl­ärt haben, Geld und Waffen zu beschaffen oder sogar an künftigen Anschlägen mitzuwirke­n.

Bezug zu Christchur­ch?

Laut Bild-Zeitung soll ein V-Mann (Informant) den Ermittlung­sbehörden Informatio­nen übermittel­t haben. Die Bundesanwa­ltschaft wollte sich dazu aber nicht äußern, ebenso wenig zu Details der Razzien und möglichen Anschlagsz­ielen.

Welche Art von Aktionen geplant gewesen sein könnten, blieb daher auch am Montag Teil von Ermittlung­en – und von Spekulatio­nen. Eine Art Vorbild dürfte für die Zelle jener damals 28-jährige Australier gewesen sein, der am 15. März 2019 ein Massaker an 51 Menschen in zwei Moscheen der neuseeländ­ischen Stadt Christchur­ch begangen hatte. (red)

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Einer von zwölf Festgenomm­enen, die mutmaßlich Teil einer rechtsextr­emen Terrorzell­e sind.

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