Linke setzen Macron bei Pensionsreform zu
Mélenchon-Partei verzögert mit 3000 Zusatzanträgen Parlamentsdebatte in Paris
Emmanuel Macron hat es nicht besser als Odysseus: Kaum hat er eine Klippe umschifft, droht das nächste Ungemach. Nach den grimmigen Gelbwesten stellten ihn die aufmüpfigen Bahngewerkschafter auf die Probe. Als dritte Prüfung stellen sich dem Präsidenten seit Montag die „Unbeugsamen“in Sachen Pensionsreform in den Weg – so nennen sich die Vertreter der Linkspartei La France insoumise (LFI).
Ihr Anführer Jean-Luc Mélenchon weiß, dass die Macron-Partei La République en Marche im Parlament die absolute Mehrheit hat. Also versucht er es mit Obstruktionspolitik: Mit 23.000 Zusatzanträgen durchkreuzen seine Abgeordneten den Plan der Regierung, die Reform vor der Sommerpause zu verabschieden. Und danach schlösse sich das Zeitfenster bis zu den Senatswahlen im Herbst – weshalb sich die Pensionsdebatte bis zum Jahresende hinziehen würde, was den wackersten Helden im Élysée-Palast zermürben müsste.
„Schrecklich für Demokratie“
Schon in den Ausschüssen hatten die Unbeugsamen so viele Zusatzanträge eingereicht, dass die Macronisten gar nicht anders konnten, als sie gesamthaft abzuschmettern. Die gleiche Taktik verfolgt Mélenchon im Parlament, um die Regierung zu zwingen, den Verfassungsartikel 49.3 einzusetzen: Er ermöglicht es, ein Projekt ohne Sachabstimmung durchzudrücken. Doch der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, warnt davor – zumal die Unbeugsamen mit ihrem Widerstand längst nicht allein sind. Sozialisten und Kommunisten mobilisieren gegen die Auflösung der 42 Spezialpensionskassen vor allem im öffentlichen Dienst.
Die konservativen Republikaner lehnen die Reform ihrerseits ab, weil Premier Édouard Philippe bis heute nicht anzugeben vermochte, wie er sie finanzieren will. Für April ist zwar eine „Finanzierungskonferenz“geplant; bis dann sollen die Abgeordneten das Projekt aber bereits in erster Lesung durchgewinkt haben.
In den Meinungsumfragen spricht sich eine Mehrheit der Befragten weiter gegen die Reform aus. Die Einführung eines „universellen“und damit gerechteren Systems wird zwar allgemein begrüßt; die Unfähigkeit der Regierung, die Auswirkungen auf die Staatsfinanzen oder auch nur auf die einzelnen Pensionsbezieher zu beziffern, macht aber viele Franzosen äußerst skeptisch.
Das gilt, obwohl der Reformbedarf an sich ausgewiesen ist: Das französische Pensionssystem ist unübersichtlich, ungerecht und unterfinanziert. Doch die MacronReform wirkt selber improvisiert und wird von der Regierung regelmäßig modifiziert. „Das ändert sich jede Woche, wenn nicht jeden Tag“, kritisierte am Montag ein 25-jähriger Student namens Alexandre in der Zeitung Le Parisien. „Das Einzige, was mir bleibt, ist die Erkenntnis, dass unter dem Strich viele Berufe zu den Verlierern gehören werden.“
Macron muss seine Reform deshalb nicht nur gegen die Unbeugsamen, sondern auch gegen die öffentliche Meinung durchbringen. Kein leichtes Unternehmen in Frankreich, wo die dauernd explosive Pensionsfrage schon mehr als eine Regierung zu Fall gebracht hat. Vielleicht tröstet sich Macron damit, dass Odysseus am Schluss doch noch am Ziel anlangte. Lädiert ist er aber schon jetzt.