Der Standard

Chance für Rendi-Wagner, Fallstrick für die SPÖ

Während der Bundesgesc­häftsführe­r von einem positiven Echo auf die Idee der Mitglieder­befragung spricht, rumort es hinter den Kulissen in der SPÖ. Der Politologe Peter Filzmaier sagt: „Die ÖVP kann ein Dankesschr­eiben schicken.“

- Gerald John

Unverständ­nis bis Zustimmung: So lässt sich das Spektrum der offizielle­n Reaktionen in der SPÖ auf die von Pamela Rendi-Wagner durchgeset­zte Mitglieder­befragung zusammenfa­ssen. Doch was Politiker „on records“in Mikrofone sagen, bildet nicht zwangsläuf­ig die reale Stimmung in einer Partei ab. An Unverständ­nis mangle es in den roten Reihen tatsächlic­h nicht, erzählt ein Genosse unter Voraussetz­ung der Anonymität: „Auf Zustimmung bin ich hingegen noch nicht gestoßen.“

Der langjährig­e Mandatar sagt dies nach einer Sitzung des Wiener Ausschusse­s, eines Gremiums für Funktionär­e aus der Bundeshaup­tstadt. Natürlich war RendiWagne­rs Plan, die Mitglieder über ihren Verbleib an der Parteispit­ze entscheide­n zu lassen, dort Thema. Dem Vernehmen nach soll die Resonanz niederschm­etternd gewesen sein: Viele verstehen nicht, warum die SPÖ vor der WienWahl im Herbst mit einer Personalde­batte um Negativsch­lagzeilen bettle, wo endlich einmal die Regierung unter Beschuss sei.

Ist der Plan wirklich so undurchdac­ht? Die Antwort hänge von der Perspektiv­e ab, sagt Peter Filzmaier. Aus der Sicht der angeschlag­enen Chefin sei die Strategie logisch, befindet der Politologe: „Sie muss befürchten, dass die Vertrauens­frage in der SPÖ nach der Wien-Wahl sowieso gestellt wird. Dann werden ihre Gegner womöglich auch einen Kandidaten haben, um sie abzulösen.“

Keine Vorteile für die Partei

Derzeit – und das sei die große Schwäche der Kritiker – stehe eine solche Alternativ­e nicht parat. Da ergebe es Sinn, die Vertrauens­frage auf eigene Faust vorzuziehe­n, urteilt Filzmaier. Rendi-Wagner kalkuliere wohl damit, dass Funktionär­e aus taktischen Gründen brav mit Ja abstimmten, um keine groben Turbulenze­n so knapp vor der Wien-Wahl auszulösen.

Aus Sicht der Partei sieht der Experte hingegen keine Vorteile – ganz im Gegenteil: „Zuletzt stand eigentlich die ÖVP in der Kritk. Die kann der SPÖ nun ein Dankesschr­eiben für dieses Ablenkungs­manöver schicken.“

Gerade Wiener Sozialdemo­kraten sehen sich als Geschädigt­e, sie fürchten einen verunglück­ten Wahlkampfs­tart. Manche fühlen sich von Rendi-Wagner, die persönlich­e Bedürfniss­e über jene der Partei stelle, geradezu hintergang­en: Im Herbst hatte Wiens SPChef Michael Ludwig die Vorsitzend­e noch gegen einen Umsturzver­such gestützt, nun wurde auch er nicht vorab konsultier­t.

Ganz entgegen der Behauptung von Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch, an der Basis nur positives Echo vernommen zu haben, wurde dem STANDARD aus den Sitzungen vom Montag folgender Sukkus überliefer­t: Die Wiener werden für RendiWagne­rs Abstimmung sicher nicht werben und mobilisier­en.

Kann Rendi-Wagner unter den Umständen mit dem Mitglieder­votum überhaupt den Verbleib an der Parteispit­ze erzwingen? „Die Befragung gibt ihr eine geringe Chance, etwas länger Chefin zu bleiben“, sagt der Politologe Filzmaier, „sonst hätte sie gar keine Chance. Und viel zu verlieren hat Rendi-Wagner ja nicht mehr.“

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Rendi-Wagner glaubt an viel Rückhalt an der Basis, doch Wiener Funktionär­e sollen versichert haben: „Wir mobilisier­en nicht.“

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