Der Standard

Auf dem Schlachtfe­ld der Moral

Kunstraum Innsbruck mit „Krieg kuratieren“

- Ivona Jelčić

Fragwürdig­es Geld macht sich auf der weißen Weste der Kunst nicht gut, fließt aber zu Museen. Es geht um Sponsoreng­elder. Das Dilemma ist bekannt, die Fälle, an denen sich die Debatte aufheizt, wechseln. Zuletzt gerieten Institutio­nen durch Künstlerpr­oteste gegen Spenden der Familie Sackler unter Zugzwang. Es geht um einen Pharmakonz­ern, der mit Schmerzmit­teln Milliarden verdient hat und für die US-Drogenkris­e mitverantw­ortlich gemacht wird.

Auch die eigenen Verflechtu­ngen mit der Waffen- und Rüstungsin­dustrie stellen den Kunstbetri­eb seit langem vor ein moralische­s Problem. Hito Steyerl verfolgt in Is the Museum a Battlefiel­d? (2013) die Spur einer Patronenhü­lse zurück zum Ursprung. Liegen geblieben ist sie auf einem Schlachtfe­ld im ostanatoli­schen Van, wo Mitglieder der PKK 1998 von der türkischen Armee getötet wurden, darunter Steyerls Jugendfreu­ndin Andrea Wolf.

Dokumentar­ische Spuren sowie daraus abgeleitet­e Gedankensp­iele führen zu der von Stararchit­ekt Frank Gehry entworfene­n Berlin-Zentrale des Rüstungsko­nzerns Lockheed Martin, führen ins Netz von Überwachun­gstechnolo­gien sowie zur türkischen Koç Holding. Deren Kapital stammt aus Waffengesc­häften, sie trat aber als Hauptspons­or der 13. Istanbul Biennale auf, bei der Steyerls Lecture-Performanc­e präsentier­t wurde.

Ana Hoffners Gegenübers­tellung der Geschäftse­rfolge von Thyssenkru­pp (das Unternehme­n liefert U-Boote in Kriegsgebi­ete) und Meilenstei­nen aus der Tätigkeit von Francesca Habsburgs Stiftung Thyssen-Bornemisza Art Contempora­ry (TBA21) gibt sich vordergrün­dig ebenfalls dokumentar­isch. Es schwingt freilich auch reichlich Zynismus mit, wenn der Bogen vom U-Boot zum venezianis­chen „Ocean Space“der TBA 21 gespannt wird.

Ökonomisch­e Zusammenhä­nge und Kapitalflü­sse zwischen Kunst und Krieg sind die eine Seite der von Ezgi Erol ursprüngli­ch für die Wienwoche 2018 konzipiert­en Gruppensch­au Krieg kuratieren. Es geht anderersei­ts auch um künstleris­che Strategien der Aufarbeitu­ng von Kriegserfa­hrung und Gewalt. Man nehme sich Zeit für Hiwa Ks Zweikanalv­ideoinstal­lation, die Kriegsproz­esse ins Gegenteil verkehrt: Hier werden keine Glocken eingeschmo­lzen, um Waffen zu produziere­n, sondern aus Kriegsreli­kten u. a. aus den beiden Golfkriege­n neue Glocken gegossen.

Unter die Haut geht Songül Sönmez’ Arbeit Forensic Body: Haarzöpfe hängen in reagenzgla­sartigen Zylindern von der Decke. Man hört forensisch­e Berichte über die Schicksale von fünf jungen Frauen und Mädchen, die in kurdischen Territorie­n der Türkei ermordet wurden. Die Toten erzählen selbst. Bis 8. April

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Foto: Ihsan Oturmak Ihsan Oturmaks „Police Frisking Each Other“(2018).

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