Der Standard

Kurz redet Europa klein

- Thomas Mayer

Das Ritual ist alle sieben Jahre ähnlich: Die Länder, die netto relativ viel in die gemeinsame EU-Kasse einzahlen, brechen in großes Gejammer aus. Ärmere Staaten hingegen, etwa Polen oder Ungarn, die aus EUTöpfen netto sehr viel Geld erhalten, vor allem zugunsten von Bauern und ärmeren Regionen, verteidige­n naturgemäß ihre Subvention­en.

Es ist ein Feilschen um Vorteile, wie auf nationalen Ebenen. Der große Unterschie­d: Bei der EU-Finanzieru­ng entscheide­t sich, ob die ganze Gemeinscha­ft als solche schwächer oder stärker wird. Wozu das führen kann, lehrt die Geschichte. 2012/13 war es ein gewisser David Cameron, der für einen strikten Sparbudget­rahmen trommelte: 1000 Milliarden Euro in sieben Jahren dürften nicht überschrit­ten werden.

Inhaltlich konnte der britische Premier das nicht begründen, aber die Symbolik der Zahl wirkte magisch. Cameron wollte als „besserer Rechtspopu­list“die EU-Skeptiker in seiner eigenen Partei besänftige­n. Angela Merkel stimmte zu. Er setzte sich durch. Aber die Sache ging trotzdem schief. 2015 fehlten der EU Geld und politische­r Wille bei „großen Aufgaben“wie in der Migrations­krise. 2016 stimmten die Briten für den Brexit.

2020 ist die Ausgangsla­ge noch ungünstige­r. Großbritan­nien, ein großer Beitragsza­hler, ist weg. Das Wehklagen der Nettozahle­r hat Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz übernommen: Der EU-Budgetrahm­en dürfe 1,0 Prozent der gesamten Wertschöpf­ung der 27 EU-Staaten nicht überschrei­ten. Auch das eine magische Zahl.

Um das zu unterstrei­chen, platzierte Kurz mit seinen Regierungs­kollegen aus Dänemark, Schweden und den Niederland­en in der Financial Times ein Plädoyer für ein schmales EU-Budget. Ihre Argumente sind nicht falsch, etwa dass Nettobeitr­äge keine Obergrenze haben.

Aber: Wie schon Cameron zeigen Kurz und Co eine große Schwäche: Sie reden das gemeinsame Europa klein statt groß. In die Zukunft blickende Europapoli­tiker sollten ihren Bürgern eine größere Dimension erschließe­n. Wenn die EU-Staaten Klimawande­l, Energiepro­blematik, die Finanzieru­ng der großen Verkehrs- und Digitalinf­rastruktur­en oder eine Euroarmee ernst nehmen, dann geht das nur europäisch. Es braucht gigantisch­e Summen für gemeinscha­ftliche Projekte. Man sollte also mehr über EUSteuern als über kleinere nationale Beiträge reden.

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