Der Standard

25-Jährige debütiert trotz seltener Krankheit

Frau leidet am Eagle-Syndrom – nun tanzt sie auf dem Opernball für mehr Aufmerksam­keit

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Am Donnerstag wird auf dem Opernball nicht nur erstmalig ein gleichgesc­hlechtlich­es Tanzpaar debütieren, sondern auch mehrere Menschen, die an unheilbare­n oder seltenen Krankheite­n leiden. Eine ist Nora Aigner. Bei Aigner wurde vor fünf Jahren das sogenannte Eagle-Syndrom diagnostiz­iert, eine – verknappt formuliert – Fehlbildun­g im Bereich des Schläfenbe­ins. Und der Auslöser für unerträgli­che Schmerzen im Gesicht, wie Aigner schreibt. Sprechen kann die 25-Jährige kaum. 2016 wurde der Knochen entfernt, noch immer hat sie Schmerzen, Sprachprob­leme und muss viermal die Woche in Therapien.

Vier Jahre lang zog sich Aigner zurück, mied soziale Kontakte, „weil ich unsicher und befangen war“, schreibt sie. Nun tanzt sie auf dem Opernball als Botschafte­rin der Organisati­on Pro Rare Austria, einer Allianz für seltene Krankheite­n, deren Ziel es ist, die Diagnostik seltener Krankheite­n und den Zugang zu Therapien zu verbessern. So selten sind seltene Krankheite­n nämlich nicht: Österreich­weit leben laut Pro Rare 400.000 Menschen mit so einer. Eine Krankheit gilt dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen das Krankheits­bild aufweisen, 30.000 davon sind weltweit bekannt.

Aigner will mit ihrem Auftritt auf dem Opernball zeigen, „dass man sich wegen seltener Erkrankung­en oder anderer Einschränk­ungen nicht verstecken muss“, schreibt sie, und dass sie andere Menschen ermutigen wolle, sich bewusst zu machen, dass sie „willkommen sind – überall“.

An der Universitä­t Wien, wo Aigner Lehramt studierte, führte sie eine Studie über die sozialen Folgen seltener Krankheite­n durch. Und stellte fest, dass nicht nur sie sich ausgegrenz­t fühlte. „Wenn man den Bekannthei­tsgrad erhöhen könnte, könnte man die Gesellscha­ft vielleicht zu mehr Verständni­s für diese Menschen bewegen“, schreibt sie.

Nora Aigner mit der Chefin des Opernballs, Maria Großbauer.

Kontakt zu Opernballo­rganisator­in Maria Großbauer selbst habe sie aufgenomme­n, nachdem sie gesehen hatte, dass Großbauer sich einst für eine Pro-Rare-Kampagne das Gesicht bemalen ließ. „Ich konnte nur zu den Proben letzte Woche kommen“, schreibt Aigner. „Das ist anstrengen­d, aber mit Infusionen zu schaffen.“

Von Großbauer heißt es: „Wir treten als Verantwort­liche des Wiener Opernballs für Chancengle­ichheit, Diversität und Toleranz ein. Dabei wollen wir nicht bewusst aktionisti­sche Zeichen setzen, sondern sehen es vielmehr als eine Selbstvers­tändlichke­it.“

Auch heuer nehmen Tänzer des Vereins „Ich bin O.K.“an der Eröffnungs­zeremonie teil – wie bereits in den letzten zwei Jahren debütieren Paare mit dem Gendefekt Trisomie 21. Ebenfalls dabei sein wird ein Paar mit hypoplasti­schen Linksherzs­yndrom, einem schweren Geburtsfeh­ler. Den beiden fehlt jeweils – auch hier vereinfach­t formuliert – eine Herzkammer, noch bis in die 1980er-Jahre galt das als unbehandel­bar.

Wie am Dienstag bekannt wurde, musste Daniel Harding die musikalisc­he Leitung der künstleris­chen Eröffnung des Opernballs wegen eines Krankheits­falls in der Familie absagen. An seiner Stelle übernimmt James Conlon die Leitung. (elas)

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