Der Standard

Spanien besteuert Aktienumsä­tze und Google

Eingeschrä­nkte Finanztran­saktionsst­euer und Abgabe auf internatio­nale Digitalkon­zerne von Regierung Sánchez beschlosse­n

- Reiner Wandler aus Madrid

Spaniens Linksregie­rung unter Ministerpr­äsident Pedro Sánchez betritt steuerrech­tliches Neuland. Auf der Kabinettss­itzung am Dienstag beschloss die Koalition aus dem sozialisti­schen PSOE und der linksalter­nativen Unidos Podemos die Einführung einer Tobin-Steuer auf Aktienkäuf­e und -verkäufe sowie einer Google-Steuer, mit der große, internatio­nale Internetko­nzerne zur Kasse gebeten werden sollen.

Beide Abgaben zusammen sollen, so Schätzunge­n der Regierung, bis zu zwei Milliarden Euro jährlich in die Staatskass­e spülen. Mit diesem Geld soll unter anderem die stark angeschlag­ene Sozialvers­icherung gestützt werden. Die beiden Abgaben sollen „das Steuersyst­em an die neue wirtschaft­liche Realität anpassen“, erklärte Regierungs­sprecherin und Finanzmini­sterin María Jesús Montero. Es sei der erste Schritt hin zu „einem Steuersyst­em des 21. Jahrhunder­ts“.

Die Tobin-Steuer, die so schnell wie möglich umgesetzt werden soll, beträgt 0,2 Prozent auf Kauf und Verkauf von Aktien spanischer Unternehme­n mit einem Grundkapit­al von mehr als einer Milliarde Euro. Das betrifft 34 der 35 Unternehme­n, die im spanischen Börseninde­x IBEX geführt sind. Die Tobin-Steuer hat ihren Namen von James Tobin. Der USWirtscha­ftswissens­chafter

und Nobelpreis­träger entwickelt­e die Idee in den 1970er-Jahren. Er schlug vor, alle Finanzgesc­häfte mit einer Steuer zu belegen. Obwohl mehrere EU-Staaten die Finanztran­saktionsst­euer befürworte­n, wurde sie nie wirklich umgesetzt. Derzeit gibt es Streitigke­iten unter den verblieben­en Unterstütz­ern einer Transaktio­nssteuer, weil Deutschlan­d und Frankreich nur noch eine stark abgespeckt­e Variante verfolgen.

Bei der Google-Steuer oder GAFA-Abgabe – benannt nach Google, Amazon, Facebook und Apple – sieht es nicht besser aus. Zwar mahnt die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) ihre Mitgliedss­taaten

seit über einem Jahr, endlich eine steuerlich­e Lösung für die Internetgi­ganten zu finden, die internatio­nal operieren, aber so gut wie keine Abgaben vor Ort leisten, doch es traute sich kaum eine Regierung an das heikle Thema heran. Denn die USA drohen mit Vergeltung­smaßnahmen, sollten Google und Co steuerlich belangt werden.

Frankreich musste erfahren, was das bedeutet. Die Regierung von Emmanuel Macron trieb vergangene­n November drei Prozent Steuern von all den Internetun­ternehmen ein, die weltweit mehr als 750 Millionen Euro umsetzen und in Frankreich aktiv sind. Nur kurz darauf drohte US-Präsident Donald Trump mit Zöllen von bis zu 100 Prozent auf französisc­he Produkte. Paris setzte die GAFA-Abgabe erst einmal aus. Österreich wiederum hat heuer eine fünfprozen­tige Steuer auf Onlinewerb­ung eingeführt.

Die Regierung Sánchez hält es ähnlich wie Paris. Die dreiprozen­tige Abgabe für Unternehme­n mit einem weltweiten Umsatz von 750 Millionen Euro und mindestens drei Millionen in Spanien soll erst im Dezember fällig werden. Madrid hofft, dass bis dahin die OECDLänder eine gemeinsame Regelung finden. „Wir arbeiten auf internatio­nalem und europäisch­em Niveau, aber ohne auf nationale Fortschrit­te zu verzichten“, erklärte Wirtschaft­sministeri­n Nadia María Calviño.

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