Der Standard

Die Mehrheit für den nächsten ORF-Chef

Im kommenden Jahr wird die nächste Führung für Österreich­s weitaus größten Medienkonz­ern bestimmt. In den nächsten Wochen formiert sich die dafür nötige bürgerlich­e Mehrheit im obersten ORF-Gremium Stiftungsr­at.

- Harald Fidler

18 Damen und vor allem Herren werden in gut einem Jahr den nächsten Chef oder die nächste Chefin von Österreich­s umsatz- und reichweite­nstärkstem Medienkonz­ern bestimmen. In den nächsten Wochen wird die Regierung von ÖVP und Grünen zusammen mit dem ORF-Betriebsra­t dafür sorgen, dass es für diese Mehrheit im ORFStiftun­gsrat nur eine Farbe braucht: Türkis. Dazu passt eine Riege bürgerlich­er Hoffnungst­räger für das nächste ORF-Management.

Bis zur nächsten Sitzung des obersten ORF-Entscheidu­ngsgremium­s am 19. März will die Regierung ihre neun Mandate dort besetzt haben. In den Koalitions­verhandlun­gen haben ÖVP und Grüne vereinbart, dass die ÖVP einen Stiftungsr­at mehr als bisher bekommt. Und damit hält die schon heute stärkste türkise Fraktion im Stiftungsr­at bei 16 Mandaten.

Alle 35 Stiftungsr­äte des ORF sind vom Gesetz nur diesem öffentlich-rechtliche­n Rundfunkun­ternehmen verpflicht­et und müssen unabhängig auch von den entsendend­en Stellen agieren – also von Regierung, Parteien, Bundesländ­ern, vom ORF-Publikumsr­at, den der Kanzler mehrheitli­ch besetzt, Politiker und Parteiange­stellte dürfen – bis zu vier Jahre nach ihrer politische­n Tätigkeit – nicht in den Stiftungsr­at. Dennoch gibt es sogenannte „Freundeskr­eise“der Parteien, die sich vor Sitzungen (und vor allem ORF-Führungsen­tscheidung­en) abstimmen.

Unabhängig bürgerlich

Alfred Trendl nimmt nach eigenem Bekunden nicht an diesen Sitzungen teil. Der Präsident des katholisch­en Familienve­rbands sitzt auf dem bisher einen „Unabhängig­en“-Mandat der Bundesregi­erung. Er dürfte dennoch den Bürgerlich­en zuzurechne­n sein – womöglich auch bei Entscheidu­ngen über die ORF-Führung. Künftig soll es zwei Unabhängig­e auf Regierungs­mandaten geben.

Bei den ORF-Zentralbet­riebsratsw­ahlen gewann die unabhängig­e Liste von Radio-Betriebsrä­tin Gudrun Stindl und Marianne Schüttner (Finanzdire­ktion) vorigen Freitag ein Mandat dazu. Und damit voraussich­tlich auch ein zweites Betriebsra­tsmandat im

ORF-Stiftungsr­at. Stindl und Schüttner werden intern dem bürgerlich­en Lager zugerechne­t. 2016 enthielt sich Stindl, als der Stiftungsr­at über den Sozialdemo­kraten Alexander Wrabetz und den bürgerlich­en Kandidaten Richard Grasl abstimmte. Wrabetz wurde – bis Ende 2021 – bestellt. Grasl ist vorerst Mitglied der Kurier-Chefredakt­ion.

Für die Bestellung der nächsten ORF-Führung im kommenden Jahr gibt es noch viel mehr bürgerlich­es Potenzial auf dem Küniglberg: ORF-1-Chefin Lisa Totzauer etwa ließ schon Ambitionen auf das ORF-Management erkennen. Alexander Hofer, Channel Manager von ORF 2, könnte mit 2022 mehr werden, auch Roland Weissmann. Der TV-Finanzchef wird auch als Wrabetz’ Kandidat für die Geschäftsf­ührung der geplanten Streamingp­lattform ORF-Player gehandelt. Presse-Chefredakt­eur Rainer Nowak wurde in den vergangene­n Jahren immer wieder als Hoffnungst­räger für den Küniglberg gehandelt.

Grüne Wirtschaft

Einer der Parteigrün­der der Grünen ist längst im Management des ORF und sammelt Funktionen und Positionen: Pius Strobl (oben im Bild) leitet das 300 Millionen Euro schwere Sanierungs- und Bauprojekt ORF-Zentrum, Sicherheit im ORF, Facility-Management und inzwischen auch die Sozialakti­vitäten des öffentlich­en Rundfunks. Strobl wird Ende Juni 2021 65, das Bauprojekt soll 2022 abgeschlos­sen sein.

Als grüne Möglichkei­t für das ORF-Direktoriu­m wird Martin Radjaby gehandelt. Der Markenund Kommunikat­ionschef der Erste Bank hat bei Ö3 begonnen, er verantwort­ete bei Jung von Matt Kampagnen der Grünen, etwa für Alexander Van der Bellen.

Im Stiftungsr­at dürften die Grünen künftig drei Sitze haben – ein Parteimand­at und zwei Regierungs­mandate. Die frühere grüne Gemeinderä­tin Marie Ringler saß 2017 schon für die Grünen im ORF-Rat, sie leitet Ashoka Europa, ein Netzwerk, das soziale Unternehmu­ngen unterstütz­t. Als grüner Ratskandid­at gilt auch Musikexper­te Georg Tomandl (Fachverban­d Film- und Musikwirts­chaft in der Wirtschaft­skammer).

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