Regierung will Plattformen für Hass im Netz verantwortlich machen
Koalition will sich nach deutschem Netzwerkdurchsetzungsgesetz richten – auf EU-Ebene ist bereits eine gemeinsame Lösung geplant
Wien – Die Bundesregierung will eine Art österreichische Version des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) einführen. Der Medienbeauftragte von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gerald Fleischmann, hat in diesem Zusammenhang Gespräche mit dem deutschen Justizstaatssekretär Gerd Billen geführt.
Das deutsche NetzDG, das eine Löschverpflichtung und hohe Geldstrafen als Sanktion für Medienbetreiber vorsieht, bezeichnet Fleischmann als „Vorbild“. Soziale Netzwerke wie Facebook und Co würden erst aufgrund der Verpflichtungen reagieren, anstatt bei Meldungen auf die USA zu verweisen. Seit Oktober 2017 sind Internetplattformen in Deutschland dazu verpflichtet, Hasspostings binnen 24 Stunden nach Meldung zu löschen. Dafür mussten Betreiber entsprechende
Beschwerdeverfahren einführen. Außerdem müssen sie über die Löschung solcher Inhalte Bericht erstatten. Das Gesetz war bereits vor seiner Einführung heftig kritisiert worden, problematisch ist etwa die Verlagerung der Entscheidung über die Redefreiheit in die Hände privater Konzerne.
Jenseits des „Zumutbaren“
In Österreich soll zunächst das Justizressort Hass im Netz zu einem Offizialdelikt machen – demnach müssten Betroffene nicht mehr selbst prozessieren. Medienpolitisch soll das Gesetz laut der Regierung nach dem Vorbild der NetzDG Folgendes beinhalten: eine Löschverpflichtung für Plattformen, wenn gehässige Inhalte das Erlaubte „und Zumutbare“überschreiten; sowie die Verpflichtung, ein wirksames Beschwerdeverfahren direkt auf den
Plattformen einzuführen und klar definierte Verantwortliche in Österreich zu benennen, die sich im Zweifelsfall gegenüber der österreichischen Justiz, aber vor allem auch den heimischen Usern rechtfertigen müssen. Das Vorhaben erscheint insofern überraschend, als es auf EU-Ebene seit Monaten Bestreben gibt, um eine EU-weite Plattformregulierung auf den Weg zu bringen. „Verwunderlich ist für uns, dass dieser Schnellschuss so kurz vor einer europäischen Lösung zur kommt“, sagt Iwona Laub von der Grundrechts-NGO Epicenter
Works. In Deutschland ist das NetzDG seit seiner Vorstellung umstritten. Die Zahl der Beschwerden liegt jedenfalls weit unter den Erwartungen: So rechnete die deutsche Regierung mit 25.000 Beschwerden pro Jahr an das Bundesamt für Justiz (BfJ), tatsächlich kamen 2019 nur 489 Meldungen, 2018 mit 714 etwas mehr.
Beschwerde-Beschwerden
Bei den Plattformen zeigen sich massive Unterschiede, so wird bei Facebook weniger gemeldet und gelöscht als bei Youtube oder Twitter. Das liegt an der unterschiedlichen Handhabung je nach Plattform. Das BfJ hat bisher rund 1.300 Bußgeldverfahren gegen die Anbieter eingeleitet. In 1.167 Verfahren wird vor allem das Beschwerdemanagement der Plattformen für Nutzer bemängelt. Dieses muss jederzeit zur Verfügung gestellt werden. Hier hatte die deutsche Regierung weniger Verfahren erwartet – man war von rund 500 im Jahr ausgegangen.
Zuvor hatte die türkisblaue Vorgängerregierung im Umgang mit Hass im Netz eine digitale Ausweispflicht angedacht, die vorgesehen hätte, dass alle Nutzer sich bei der Anmeldung bei einer Plattform mit Klarnamen registrieren müssen – die Pläne wurden jedoch massiv kritisiert, unter anderem auch vom Obersten Gerichtshof, der eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung verortete.
Die Wahrung der Anonymität im Netz ist jedoch nicht sicher, will die Regierung mit einer sogenannten „Individiualisierungspflicht“IP-Adressen doch nachvollziehbarer machen. Auch hier gibt es Bedenken in Bezug auf eine unerlaubte Datenspeicherung auf Vorrat. (muz)