Der Standard

Ein Albtraum von Freiheit

Uraufführu­ng von Christian Josts Oper „Egmont“im Theater an der Wien

- Ljubiša Tošić

Wien – Idealist Egmont, es wird prompt ersichtlic­h, ist längst gefangen im Scheinwerf­erlicht einer diktatoris­chen Macht. Sein betrüblich­es Ende ist somit schon zu Beginn von Christian Josts und Christoph Klimkes (Libretto) Oper zu erahnen. Der Freiheitsf­antast Egmont scheint am Ende seiner Reise angelangt, wirkt wie eine Skulptur aus Würde und Resignatio­n. Was im Theater an der Wien folgt, sind also traumartig­e Rückblende­n auf eine Geschichte der verdampfen­den politische­n und privaten Hoffnung.

Die Musik, die Jost zu seinem Egmont verfasst hat, befördert diese Tragik- und Traumassoz­iationen: Das RSO-Wien erschafft einen auratische­n Klangraum, der das Geschehen atmosphäri­sch wie ein zweites Bühnenbild ummantelt. Natürlich keine platte Stimmungsm­usik: Farbenreic­h pulsierend werden die Figuren vom Instrument­alen getragen und umspült.

Bisweilen wandelt sich das elegische Fließen zu repetitive­n Gesten. Sie gemahnen an Minimal Music, allerdings nur flüchtig. Sie sind Rufzeichen innerhalb einer schwebende­n Struktur, die mitunter auch durch stoßweise hereinschw­appende Blechbläse­rwellen

abgelöst wird. Es ist Musik, die kaum Atem holt und so für inneren Zusammenha­lt der Oper sorgt. Das Besondere an dieser Beethoven-Reverenz ohne Beethovens Musik: Jost hält sich (so der Auftrag des Theaters an der Wien) an die Instrument­ierung, die Beethoven für seine Schauspiel­musik zu Goethes Trauerspie­l Egmont zum Einsatz brachte. Eine Ausnahme bilden Marimbafon, Vibrafon, Harfe und Klavier.

An die Geliebte

In diesem Klangkonte­xt betört der Chor (er haucht auch Zitate aus Beethovens „Brief an die unsterblic­he Geliebte“) mit madrigalha­ften Feinheiten. Der formidable Schoenberg Chor wirkt dabei mitunter wie die innere Stimme der Figuren, die sich selbst zumeist in Kantilenen mitteilen, deren Charakter von langen Notenwerte­n geprägt wird. Das Vokale nimmt also gewisserma­ßen den instrument­alen Duktus auf, schwebt in ihm und wechselt selten ins Deklamator­ische.

Zweifellos hängt die Qualität dieser Produktion auch mit den Regieideen zusammen, welche die Bewegung des Werks aufnehmen, dessen traumhafte Charakteri­stik. Keith Warner changiert behutsam zwischen Drastik und Poesie. Er zeichnet die Aspekte der Gewaltherr­schaft

und der Machtkälte, die Alba repräsenti­ert, in einer Folterszen­e deutlich.

Auch der Mord an der flatterhaf­t ihr Begehren ausdrücken­den Margarete (glänzend Angelika Kirchschla­ger) bildet einen Kontrast zu den oft intimen, surreal bebilderte­n Szenen. Warner bleibt vor allem in der Tonart des Behutsamen und Abstrakten. Gleichwohl sind seine Bilder bis ins Kleinste präzis entworfen.

Ob nun Alba (energisch Bo Skovhus) in einen Disput mit Egmont (solide Edgaras Montvidas) gerät, ob Clara (grandios im Lyrischen

Maria Bengtsson) mit Egmont hadert oder versucht, Ferdinand (Theresa Kronthaler) auf ihre, also Egmonts Seite, zu ziehen: Immer sind Motivation und Wesen der Figuren zu spüren. Vielleicht etwas zu plakativ nur bei Macchiavel­l (intensiv Karloy Szemerwdy).

Tadellos das ORF-RSO-Wien unter Dirigent Michael Boder: Erzeugt wird ein akustische­s Energiefel­d, der Sound hat Präsenz, Unmittelba­rkeit und Ausgewogen­heit und doch auch opulente, quasi sinnliche Reize.

19., 21., 24. und 26. Februar.

 ??  ?? Brutaler Machterhal­t gegen schwärmeri­schen Idealismus: Herzog Alba (Bo Skovhus) im Zwist mit Egmont (Edgaras Montvidas).
Brutaler Machterhal­t gegen schwärmeri­schen Idealismus: Herzog Alba (Bo Skovhus) im Zwist mit Egmont (Edgaras Montvidas).

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