Der Standard

Allianz statt Klassenkam­pf

- Tobias Kachelmeie­r

Die Gewerkscha­ften wettern in einer Tour gegen die Arbeitgebe­r in der Pflege- und Sozialwirt­schaft. Man wirft ihnen Gesprächsv­erweigerun­g, Ausbeutung und noch unschönere Dinge vor. Nun könnte man argumentie­ren, dass Opposition zu Unternehme­rn die ureigenste Aufgabe einer Gewerkscha­ft darstellt. Bei nüchterner Betrachtun­g jedoch wird schnell ersichtlic­h, wie sinnlos es ist, die Pflegeorga­nisationen für die unwürdigen Arbeitsbed­ingungen verantwort­lich zu machen.

Was sollen die Arbeitgebe­r denn tun? Die Kalkulatio­n in der Branche ist knapp bemessen, dementspre­chend klein ist der Spielraum für Verbesseru­ngen. Volkshilfe und Co hängen letztendli­ch am Finanzieru­ngstropf des Staates. Die Politik aber übt sich bei der (Unter-)Finanzieru­ng der Pflege seit jeher wahlweise im Wegschauen oder im Verkaufen von Kleinklein-Lösungen als „großem Wurf“. An einem sachlichen, großen Wurf ist man dort nicht interessie­rt. Lieber verstrickt man sich in ideologisc­he Grabenkämp­fe.

Ein Blick auf die Rechnungsh­ofberichte würde den Parteien dabei nicht schaden. Der kritisiert­e mit Blick auf die Pflegefina­nzierung 2010 die überborden­den Verwaltung­skosten und forderte 2017 eine Grundsatze­ntscheidun­g. Beide Berichte verschwand­en im Papierkorb der Parteizent­ralen. Wo kämen wir denn hin, würde die Politik den Rechnungsh­of ernst nehmen?

Wollen die Arbeitnehm­er also – zu Recht – humanere Arbeitsbed­ingungen, brauchen die Arbeitgebe­r zunächst mehr Geld vom Staat. Statt sich also alljährlic­h um den viel zu kleinen Kuchen, den die Politik der Pflege hinwirft, zu streiten, sollten Unternehme­n und Arbeitnehm­er gemeinsam um ein größeres Backwerk kämpfen. Es braucht einen Schultersc­hluss zwischen Gewerkscha­ft und Arbeitgebe­rn: gegen die Reformunfä­higkeit und den falschen Geiz der Politik in der Pflegefrag­e.

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