Causa um mutmaßlichen Mandatskauf
Ein Opernball-Scherz des Wirtschaftskammerchefs erhitzt die Gemüter
– Es kommt ja wahrlich nicht oft vor, dass Neos und Arbeitnehmervertreter ein gemeinsames Feindbild haben. Harald Mahrer hat es am vergangenen Donnerstag aber geschafft, genau das zu werden. „Wir trinken nur Mineralwasser, weil wir sparsam mit den Mitgliedsbeiträgen umgehen“, so der Präsident der Wirtschaftskammer (WKO) in einem ORF-Interview am Opernball, wo er in einer von Mitgliederbeiträgen finanzierten, 23.600 Euro teuren Loge feierte.
Der Spruch rief am Wochenende die Neos auf den Plan. Eine „fragwürdige Verwendung der Zwangsbeiträge“sei das, so die erste Reaktion des Parlamentsklubs. Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn forderte die „langfristige Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft“bei der Kammer: „Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen echte Entlastung und eine starke Interessenvertretung. All das leistet die Wirtschaftskammer schon lange nicht mehr“. Im Kampf gegen die WKO wollen die Neos nun die Geschütze der Demokratie auffahren: Man werde im Nationalrat sechs Anträge einbringen, „die es in sich haben“, kündigte Schellhorn per Presseaussendung an.
In der ORF-Pressestunde tat der Gescholtene die Aussage unterdessen als Scherz ab: „Uns allen war klar, dass das lustig gemeint war.“Mahrer führte das Getöse um die Logengespräche auf die Wirtschaftskammer-Wahlen, die Anfang März stattfinden, zurück. SPÖ, Neos und Grüne nutzten den Eklat gestern tatsächlich für Stimmenfang: „Mehr Klimaschutz, weniger Logen“, sagte etwa GrünenKlubobfrau Sigi Maurer. Jan Krainer, Finanzsprecher der SPÖ, twitterte unterdessen: „Hochmut kommt vor dem Fall ... Bei der Wirtschaftskammer-Wahl wäre die nächste Gelegenheit.“
Apropos Gelegenheit: Mahrer nutzte die Pressestunde auch für ein weiteres Statement gegen die von den Arbeitnehmern der Sozialwirtschaft
geforderte 35-Stunden-Woche. Sollte die kommen, „können wir uns alle weiße Leintücher umhängen und zum wirtschaftspolitischen Friedhof marschieren“, so der Wirtschaftskammerpräsident. Die Gewerkschaftsvorsitzende Barbara Teiber attestierte Mahrer daraufhin „Ahnungslosigkeit“.
Für Aufruhr sorgten auch die im Interview getätigten Aussagen von Mahrers Logengast Andreas Treichl: „Wenn Sie große Champagnerflaschen sehen wollen, müssen Sie zur Industriellenvereinigung oder zur Arbeiterkammerloge gehen“, so der Aufsichtsratschef der Erste Stiftung. Die erwähnte Industriellenvereinigung nahm das mit Humor und twitterte: „(Pflicht-)Mitgliedsbeiträge für Ball-Logen und Getränke gibt es bei uns nicht.“Die Arbeiterkammer gab hingegen kein Statement ab. Musste sie auch nicht, denn: Eine Arbeitkammerloge existierte am Opernball gar nicht.
Wie man Beiträge vermeintlich sinnvoller einsetzt, zeigte die WKO dann am gestrigen Montag vor. Da kündigte Mahrer gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) den Ausbau des Programms „KMUDigital“an. Die Initiative unterstützt
Unternehmen beim digitalen Umstieg und soll nun weitergeführt und ausgebaut werden: Das Wirtschaftsministerium und die WKO werden das Projekt in den kommenden vier Jahren mit 20 Millionen Euro kofinanzieren.
Die Verwendung und Existenzberechtigung der Wirtschaftskammerbeiträge ist schon seit längerem Diskussionsgegenstand. Was spricht eigentlich dafür, 23.600 Euro an Mitgliedsbeiträgen für eine Loge am Opernball auszugeben? Mahrer strich in der Pressestunde die wirtschaftliche Bedeutung des Opernballs hervor: „Geschäfte werden hier abgeschlossen.“Die Veranstaltung sei für ihn ein „Arbeitsball“, es gehe um die Repräsentation der österreichischen Wirtschaft. Die Neos halten weiterhin dagegen: „Jene Gäste, mit denen Mahrer die Mineralwasserparty gefeiert hat, sind nicht diejenigen, bei denen man noch für die Wirtschaft ‚lobbyieren‘ muss“, so Pressesprecherin Nina Horn am Montag gegenüber dem STANDARD. Und wer hat jetzt das bessere Argument? (tk)