Jugend ohne Boden
Schauspielhaus Wien: Anna Marboe erstinszeniert Wilke Weermanns Peergroup-Stück „Angstbeißer“
Wien – Es gibt viele Gründe, warum jungen Menschen heute angstgesteuert vor die Tür treten. Das Coronavirus ist noch die geringste Sorge. Erschütternd aber sind Fragen, die das Auseinanderbrechen sozialer Bindungen betreffen. Wie gültig sind freundschaftliche Bande? Muss ich das Leben im Alleingang meistern, wie es die vereinzelte Gesellschaft vorlebt? Warum schwärmen alle vom Hygge-Sein, schaffen es aber nicht? Eine urbane Peergroup keucht in Wilke Weermanns
Stück Angstbeißer durch einen von ähnlichen Fragen durchzogenen Alltag. Mit Teenspirit fand die Uraufführung am Donnerstag am Schauspielhaus Wien statt.
Sie sind jung und panisch, der Boden unter den Füßen fehlt. Deshalb hat Regisseurin Anna Marboe die vier Protagonisten auch als unfreiwillige Superhelden inszeniert. Ihr Unsicherheitsgefühl wiegt so schwer, dass selbst ein normaler Linienflug als gigantische Leistung erscheint. Topher, Jamin, Sven und Sanne (Simon
Bauer, Jakob D‘Aprile, Til Schindler und Clara Liepsch) springen und tanzen in knallbunten Glitzerumhängen zwischen Küchenzeile und Tabledance-Möbeln durchs Bild (Bühne und Kostüme: Giovanna Bolliger). Teekochergeräusche schwelen zum bedrohlichen Sound an. Valium tut gut. Weermanns amputierter Jugendsprech hat in puncto Drogen auch hervorragende Kalauer zu bieten: „Kannst du mir was line?“
Tattoos werden lebendig und irgendwann auch die Dinosauriertapete
im Bühnenhintergrund. Als schließlich alle, um Bodenhaftung bemüht, im Technoclub landen und der Tanz entfesselter Dinosaurier anhebt, kommt die Inszenierung zu ihrem Höhepunkt. Zwischenzeitlich hatte sie entlang ihrer steilen Behauptungen auch dümpelnde Momente. Aber immer solche, die Staunen machen.
Und dann war da noch die Figur Zadok – entliehen beim ScifiAutor H. P. Lovecraft. Als schwarzer Engel (Sebastian Schindegger) blieb er zu sehr im Abseits. (afze)