Der Standard

Joe Biden feiert seine Auferstehu­ng

Der gefallene Favorit für die Präsidents­chaftsnomi­nierung bei den Demokraten feiert in South Carolina ein Comeback. Ob er den Schwung in den Super Tuesday diese Woche mitnehmen kann, ist aber weiterhin offen.

- Frank Herrmann aus Washington

So gelöst wie Joe Biden am Samstagabe­nd in Columbia, der Hauptstadt South Carolinas, hinter einem Pult mit der Aufschrift „Biden President“steht, hat man ihn lange nicht mehr gesehen. Zum ersten Mal überhaupt, nach zwei missglückt­en Anläufen 1988 und 2008 und einem verpatzten Start in diesem Jahr, hat er bei einer Vorwahl gewonnen. Und weil der Veteran gern Vergleiche mit Kampfsport­arten anstellt, feiert er sein Comeback mit einer Metapher aus der Welt des Boxens.

„Diejenigen unter euch, die schon einmal zu Boden geschlagen, ausgezählt, abgehängt wurden: Dies ist eure Kampagne!“, ruft er seinen Anhängern zu, die es mit ausgelasse­nem Jubel quittieren. Noch vor wenigen Tagen habe die Presse seine Kandidatur für tot erklärt. „Dank euch, die ihr das Herz der Demokratis­chen Partei seid, haben wir nun gewonnen.“

Mit 48 Prozent der Stimmen entschied Biden die vierte Etappe des

Kandidaten­rennens der Demokraten eindeutig für sich. Bernie Sanders, der linke Senator aus dem Neuengland­staat Vermont, kam auf 20 Prozent, womit er unter den Erwartunge­n blieb. Enttäusche­nd schnitten Pete Buttigieg (acht Prozent), Elizabeth Warren (sieben Prozent) und Amy Klobuchar (drei Prozent) ab, sodass sich die Frage stellt, wie lange sie den Wahlmarath­on noch durchhalte­n können. Tom Steyer, ein Hedgefonds-Milliardär aus San Francisco, engagiert im Kampf für den Klimaschut­z, zog noch in der Nacht auf Sonntag, ernüchtert angesichts offensicht­licher Chancenlos­igkeit, die Reißleine. Zwar holte er elf Prozent der Stimmen, aber da er sich ganz auf South Carolina konzentrie­rte, dort lang unterwegs war und von allen Bewerbern die mit Abstand höchste Summe für Fernsehrek­lame ausgab, hatte er sich mehr ausgerechn­et.

Dass Biden als Erster durchs Ziel gehen würde, entsprach den Prognosen der Meinungsfo­rscher, auch wenn überrascht­e, wie klar er gewann. Er selbst hatte den „Palmetto State“an der Südostküst­e einst als seine Brandmauer bezeichnet, als eine Etappe, die seinen schwachen Start in Iowa und New Hampshire vergessen lassen würde. Bei schwarzen Amerikaner­n, die dort bei den Demokraten 56 Prozent der Wählerscha­ft bilden, steht er schon deshalb hoch im Kurs, weil er acht Jahre lang mit Barack Obama ein weitgehend reibungslo­s funktionie­rendes Gespann bildete.

Bekannte Größe statt Risiko

Zudem hatte sich ein einflussre­icher Lokalmatad­or mit einer Verve für ihn eingesetzt, wie man sie selten erlebt. Der Kongressab­geordnete James Clyburn, aktuell ranghöchst­er Afroamerik­aner im Politikbet­rieb Washington­s, rief mehrmals dazu auf, Biden zu wählen, statt mit Sanders’ Wahl ein hohes Risiko einzugehen. Augenmaß statt gewagter Experiment­e: In seiner Siegesrede griff Biden das Motiv auf. Das Gerede von einer Revolution ändere bei niemandem etwas im praktische­n Leben, kritisiert­e er Sanders.

Ob der Triumph in South Carolina tatsächlic­h die ersehnte Wende für Biden bedeutet oder aber nur eine Art Zwischenho­ch, wird sich am Dienstag erweisen, wenn

Joe Biden gab sich am Sonntag so gelöst wie lange nicht mehr. in 14 Bundesstaa­ten gewählt wird und 34 Prozent der Delegierte­nsitze des Nominierun­gskonvents zu vergeben sind. Sanders baut darauf, die Konkurrenz in Kalifornie­n und Texas so klar abzuhängen, dass er nach dem Super Tuesday mit deutlichem Vorsprung an der Spitze des Feldes liegt. Sonntag kommentier­te er: „Es gibt viele Staaten in diesem Land, und niemand kann in allen gewinnen“.

Biden wiederum will Dienstag vor allem in Südstaaten mit hohem afroamerik­anischem Bevölkerun­gsanteil so viele Stimmen holen, dass er unangefoch­ten die Führung des moderaten Flügels übernimmt. In dem Fall müssten andere Gemäßigte wohl bald das Handtuch werfen. Auch Michael Bloomberg, Multimilli­ardär aus New York, der Dienstag erstmals auf Stimmzette­ln steht, sollte allmählich, so suggeriere­n es Sprecher Bidens, ans Aufgeben denken. Es sind Gedankensp­iele, denen Bloomberg zumindest für den Moment eine Absage erteilt.

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Foto: Imago/Zuma/Hogan

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