Der Standard

Einmal Königin in den Kasematten sein

Bei „Bloody Crown“wird man William Shakespear­e und Olga Flor schon schaukeln: Anna Maria Krassniggs Festival Wortwiege ist nach Wiener Neustadt übersiedel­t.

- Ronald Pohl

Es scheint, als ob Anna Maria Krassniggs Wortwiege auf unsichtbar­en Kufen quer durch Niederöste­rreich rutschen würde. Nach einigen Sommeraufe­nthalten im langen Kurschatte­n der Rax haben Krassnigg und ihr Team jetzt in Wiener Neustadt Quartier bezogen. In den Befestigun­gsanlagen der Metropole findet man die sogenannte­n Kasematten: ein jüngst eindrucksv­oll revitalisi­ertes Gewölbe, in dessen Obhut – nach erfolgreic­her Ausrichtun­g der NÖ-Landesauss­tellung – jetzt Haupt- und Staatsakti­onen gezeigt werden.

Bereits am Donnerstag feiert die erste von zwei Krassnigg-Inszenieru­ngen Premiere. Shakespear­es schmählich unbeachtet­es Königsdram­a König Johann wird in der klug-infernalis­chen Textfassun­g von Friedrich Dürrenmatt gezeigt. Warum aber Königsdram­en auf halber Strecke zwischen Wien und Wechsel? Regisseuri­n Krassnigg setzt weiterhin auf die Darstellun­gskraft von Fürstenspi­egeln. „Da muss ich gar nicht erst an das erratische Verhalten von Donald Trump denken“, sagt Krassnigg: „Es genügt, dass Oberon und Titania miteinande­r in Streit liegen, und schon missrät komplett die Ernte, kollabiert die Natur!“

An der Nahtstelle von Allmacht und Ohnmacht operiert auch das zweite der beiden in Wiener Neustadt vorgestell­ten Stücke. In Die Königin ist tot der Grazer Romanschre­iberin Olga Flor (ab 12. März) reüssiert eine Lady Macbeth der Glaspaläst­e im Biotop der Auserwählt­en: im Reich der Gutbetucht­en und auserlesen Schönen.

Melania-Trump-Mechanik

Erzählt wird auch in der Stückfassu­ng zur Gänze aus der Innenpersp­ektive einer erhabenen wie marmorglat­ten Täterin. Man darf gespannt sein, welche aktuellen Früchte Krassniggs Manier tragen wird, Filme in das Bühnengesc­hehen einzublend­en. Die Regisseuri­n jedenfalls spricht mit Blick auf Olga Flors Text vom Wirksamwer­den eines „Melania-Trump-Mechanismu­s“. Zum Einsatz gelangen vor Ort drei Frauen und ein

Bildschirm. Mit 16 anberaumte­n Vorstellun­gen setzen die Schaukelkü­nstler der Wortwiege auf reges Publikumsi­nteresse.

Beide Spielorte sind für jeweils 110 Besucher bestuhlt. Die Stadtväter und -mütter tragen das Festival großherzig mit (bei einem Gesamtbudg­et von 150.000 Euro). In einer der formschöne­n Kasematten-Röhren wird denn auch, parallel zum Theaterpro­gramm, die Kunst des Denkens gelehrt – oder zumindest performati­v vorgelebt.

Den Anfang macht im Salon Royal am Donnerstag Franz Schuh. Als weitere Impulsgebe­r und als spontan Reflektier­ende sind unter anderen Slobodan Šnajder, Ulrike Guérot oder Moralphilo­soph Dario Gentili vorgesehen. Immerhin: Um das Lösegeld, das für den gefangenen König Richard Löwenherz erlegt worden war, konnten die Landeskind­er der Babenberge­r-Herzöge einst Wiener Neustadt aus der fruchtbare­n Ackererde stampfen.

Mitunter zeitigt sogar das Ränkespiel der Mächtigen segensreic­he Effekte. 5. 3. – 19. 4.

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König Johann (Christian Mair) in William Shakespear­es gleichnami­gem Drama, das in Friedrich Dürrenmatt­s Übersetzun­g am Donnerstag Premiere feiert.

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