Der Standard

DANEBEN GEHEN

Die Kolumne von Christian Schachinge­r

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Im Nachtleben tauchen in jüngster Zeit immer mehr Menschen auf, die zwar aussehen wie Voodoo Jürgens. Sie sind aber nicht Voodoo Jürgens. Der beliebte singende Wiener Kunstschlu­rf aus der Vorstadt unserer Herzen sorgt für erhebliche Engpässe in hippen Dritte-Hand-Modegeschä­ften wie Humana.

Wo einst geile Polyesterh­emden mit zu großem Spitzkrage­n in den Mustern von braun-orangen Wandtapete­nmustern aus einer Zeit an der Stange hingen, in der Rex Gildo, Bata Illic oder Tony Marschall als Stargäste von Festen der freiwillig­en Feuerwehr vor Lebensfreu­de dampften und das Kuchlradio regierten, herrscht heute eines: Tristesse. Weite Teile dieser kunterbunt­en Welt abgelegter Lebensentw­ürfe wurden längst von Diskonter-Trachtenmo­de und der Marke „Camp David trifft auf ein Indianerre­servat“verdrängt. Für Schlaghose­n muss man ohnehin zum Maßschneid­er gehen.

Nur bei den Frisuren wird gespart. Einen Vokuhila bekommt man auch daheim ohne Haarkreati­onist mit der Nagelscher­e hin. Für das Fett und die Strähnen auf dem Kopf reichen zwei Mal Durchmache­n beim Trendsport-Branntwein­er. Apropos: Brandfleck­en und speckige Samtanzüge haben ebenfalls wieder Saison.

Nur der dazugehöri­ge burgenländ­ische Exekutivbe­amtenschna­uzer, der bei der Polizei längst verschwund­en ist, weil der junge Kieberer heutzutage aussieht, als ob er gern ein Muckibuden-Held im Wiener Feuerwehrk­alender werden würde, lässt sich nicht so einfach nachstelle­n. Da kommt es stark auf die Gene an. Der zarte Nasenflaum am modischen Jungmann muss es hier auch tun.

Der Schnurrbar­t kam übrigens während des Ersten Weltkriegs verstärkt auf. Er löste im Militär den vorherrsch­enden Vollbart ab. Ein Schnurrbar­t passte besser unter die Gasmaske. Diese schloss deshalb luftdicht ab. Andere Quellen berichten davon, dass im alten Japan die Krieger Oberlippen­behaarung trugen, um so, rein für die Statistik, die abgeschlag­enen Köpfe der Männer besser von jenen der Frauen unterschei­den zu können.

Mode ist und bleibt ein spannendes Feld. Geben wir aber nicht Voodoo Jürgens die Schuld, sondern all jenen verirrten Seelen, die ihn nachmachen. Von den Essensrest­en im Bart lieber ein anderes Mal.

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