Der Standard

Von Grünzeug und Lehm

Um den diversen Herausford­erungen der Klimakrise im Bausektor zu begegnen, setzen Experten vermehrt auf natürliche Materialie­n. Pflanzen kühlen, Lehm dient als klimafreun­dlicher Baustoff.

- Thorben Pollerhof

Vor 20 Jahren hat das niemanden interessie­rt”, erzählte Helga Fassbinder über ihre anfänglich­en Überlegung­en zum klimafreun­dlichen Bauen. Die Stadtplane­rin und Präsidenti­n der Stiftung Biotope City wusste von Anfang an, dass beim Bauen gegen den Klimawande­l, der sich mittlerwei­le zu einer Klimakrise entwickelt hat, nur eines hilft: Weitsicht.

Im Zuge dessen entwickelt­e sie im Laufe ihrer Karriere das Leitbild der Biotope City. Ein städteplan­erisches Konzept, das die Natur zurück in die dichtbebau­ten Straßensch­luchten holt. Konkret geht es dabei darum, Gebäude mithilfe von begrünten Fassaden dauerhaft zu kühlen.

Fassbinder bezeichnet­e diese ihre Methode als „leistbare“und „schnell klimaeffiz­iente“Alternativ­e und verweist dabei auf das Pilotproje­kt der Biotope City Wienerberg in Wien. Hier erwacht gerade ein solches Konzept zum Leben, unter der Ägide von sieben Bauträgern mit insgesamt 950 Wohnungen. Auf dem Gelände einer ehemaligen Coca-Cola-Produktion­sstätte ziehen seit November vergangene­n Jahres die ersten Bewohner ein.

Fassbinder zeigte sich zufrieden mit der Entstehung dieses Pilotproje­kts und versprach, dass aus den Erkenntnis­sen ein Drehbuch für weitere Biotope Citys entstehen würde. Es gebe nämlich noch einige Kommunikat­ionsstelle­n, bei denen es hapert.

Das bekam auch Roland Gnaiger, Architektu­rprofessor an der Kunstunive­rsität Linz, zu spüren. Er sagte, dass die Städte immer noch eine natürliche Abneigung gegen große Grünfläche­n hätten – aus brandschut­zrechtlich­en Gründen.

Als Alternativ­e präsentier­te er in seinem Vortrag allerdings sein Baumateria­l der Zukunft: Lehm. Dieser würde nicht nur CO2 sparen, wenn er denn richtig gebrannt würde, sondern auch in baufertige­n Stücken kommen: „Es ist quasi wie Beton.“Mit seinen Studierend­en hätte er bereits erfolgreic­h in Asien und Afrika Wohnungen aus diesem Lehm gebaut, „die auch Ihren Ansprüchen genügt hätten“, sagte er in Richtung Publikum. Als internatio­nale Beispiele führte er die Gebäude von Alnatura in Darmstadt und Ricola in Laufen bei Basel an. Beide sind mit den angesproch­enen Stampflehm­fassaden gebaut.

Ähnlich euphorisch sprach auch Mike Bucher, Geschäftsf­ührer von Wienerberg­er Österreich, über den natürliche­n Baustoff. Er strich aber hervor, dass die Regularien, die in Österreich zum Thema Lehmbau herrschten, noch etwas komplizier­t seien. Trotzdem sei nicht so stark gebrannter Lehm eine Option für die Zukunft, denn: „Wir sind ja alle nicht rein karitativ hier. CO sparen bedeutet Geld sparen.“

Gnaiger appelliert­e zum Schluss an das Vertrauen und die Vorstellun­gskraft der Entscheidu­ngsträger: „Beim Holzbau hat am Anfang auch jeder gelacht.“

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Grün und kühl: das Pilotproje­kt der Biotope City Wienerberg in Wien. Im Bild ein ÖSW-Projekt.
 ?? Foto: Robert Newald ?? Waren sich in vielen Bereichen rund ums Bauen einig: Helga Fassbinder, Roland Gnaiger und Mike Bucher.
Foto: Robert Newald Waren sich in vielen Bereichen rund ums Bauen einig: Helga Fassbinder, Roland Gnaiger und Mike Bucher.
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