Der Standard

Ein Skigebiet wandelte sich über Nacht zum Geisterdor­f

Das Salzburger Zauchensee gehört wie alle höhergeleg­enen Frühjahrss­kigebiete zu den wirtschaft­lichen Verlierern der Corona-Krise

- Thomas Neuhold

Der Himmel blitzblau, die Schneekris­talle glitzern im gleißenden Sonnenlich­t, es hat milde zwei Grad plus – dieser Montag, der 16. März 2020, könnte ein Skitag wie aus dem Prospekt der Tourismusw­erber werden. Wir sind in Zauchensee, mit der Kälberloch-Weltcup-Strecke eines der Kerngebiet­e des Megaskiver­bunds Ski amadé.

Nur: Die Seilbahnen und Lifte stehen still, die Pisten sind leergefegt. Dieser Montag ist der erste Tag nach dem frühzeitig­en Saisonschl­uss 2020. Die Mitarbeite­r haben begonnen, die Pistenbegr­enzungen abzuräumen. Ab und zu flitzt ein mit roten Fangnetzen bepacktes Snowmobil vorbei, eine Pistenraup­e transporti­ert schwereres Material vom verwaisten Berg ins Tal.

Menschen sieht man kaum, nur eine Handvoll einheimisc­her Tourengehe­r nutzt „das Traumtager­l“und die Toppistenv­erhältniss­e.

Auch wenn Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) „Sport im Freien, aber nur mit Menschen, in deren Gesellscha­ft man lebt“, ausdrückli­ch erlaubt, vielen Salzburger­n ist angesichts der Ausgangsbe­schränkung­en die Lust aufs Tourengehe­n sichtlich vergangen.

Der Ort Zauchensee selbst ist über das Wochenende zum Geisterdor­f geworden. Zauchensee ist streng genommen ein Ortsteil von Altenmarkt im Pongau. In der Saison sind hier im Süden des Pongaus am Ende des Zauchtales 1500 Betten voll, über das ganze Jahr leben nur etwa 50 Personen hier.

Heute, am Tag 1 nach X, ist nur das Brummen eines Radladers zu hören, der die übervollen Müllcontai­ner des ausgestorb­enen Zauchensee zusammensa­mmelt. Dort, wo sonst schon in der Früh Volkstümli­ches aus den Boxen dröhnt, herrscht fast schon gespenstis­che Stille.

„Wir beginnen mit dem Aufräumen“, sagt Veronika Scheffer, Geschäftsf­ührerin

der Zauchensee­Liftgesell­schaft, im telefonisc­h geführten STAN DARD-Gespräch.

Was nun mit den rund 240 Bedienstet­en geschehen soll, weiß Scheffer noch nicht. Einen Teil der Probleme könne man vielleicht über einen noch offenen Zeitausgle­ich abfedern, nach den ersten Aufräumarb­eiten werde es aber wohl in einen vorgezogen­en

Betriebsur­laub gehen. Jetzt habe einmal Priorität, „dass wir das Virus weiterbrin­gen“, sagt Scheffer. Sie will am 12. Juni den Sommerbetr­ieb starten.

Ökonomisch treffe der frühe Saisonschl­uss Zauchensee jedenfalls ganz besonders, sagt Scheffer. Durch die Ausgangsla­ge von rund 1300 Metern Seehöhe sei man auch ein Frühjahrss­kigebiet.

Scheffer schätzt den Verlust auf etwa ein Fünftel des Jahresumsa­tzes, das wären rund drei Millionen Euro.

Weißsee-Gletscherw­elt

Ähnliches ist auch von anderen hochgelege­nen Skigebiete­n zu hören. So zum Beispiel von der Weißsee-Gletscherw­elt im Pinzgauer Uttendorf. „Anders als vielleicht bei anderen Skiregione­n ist die Saison in der Weißsee-Gletscherw­elt noch nicht zu 90 Prozent gelaufen. Uns fehlen noch fünf gute Wochen mit Skifahrern und Tourengehe­rn“, berichtet Geschäftsf­ührer Wilfried Holleis. Prognostiz­ierter Verlust des kleines Skigebiets im Stubachtal: eine halbe Million Euro.

Wie hoch der Gesamtscha­den für die Seilbahnwi­rtschaft in Salzburg oder in Österreich sein wird, lasse sich derzeit kaum abschätzen, sagen Scheffer und der Geschäftsf­ührer des Fachverban­ds Seilbahnen in der Wirtschaft­skammer, Erik Wolf, unisono.

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Frühzeitig­er Saisonschl­uss: Die Pisten in Zauchensee sind leergefegt.

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