Der Standard

Der erste Tag ohne Unterricht

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A m Freitag hat sich Marlene bereits vom Klassenzim­mer verabschie­det und in den Heimunterr­icht begeben. „Theoretisc­h hätte ich noch in die Schule gehen können, aber das wollte ich nicht mehr unbedingt“, sagt die 13-jährige Gymnasiast­in, die glücklich ist, dass sie die Betreuung in der Schule nicht mehr in Anspruch nehmen muss. Obwohl sie anfangs „nicht so wirklich“Angst vor dem Virus gehabt hätte, habe sich das mittlerwei­le verändert: „Die letzten Tage ist es schon ein bisschen gruselig geworden.“

Mehr Angst hat sie vor der drohenden Langeweile. „Es ist Tag zwei, und mir ist langweilig“, sagt sie. Pläne hat sie bereits gemacht: mehr Geige üben oder Sportübung­en in der Wohnung. Wie Ferien fühle sich der fehlende Unterricht nicht an. Am Freitag habe sie Arbeitsblä­tter erhalten. Manche kamen per Mail hinzu. In einigen Fächern gab es Aufträge, Inhalte zusammenzu­fassen, in Nebenfäche­rn werde aber auch neuer Stoff gemacht: „Es wurde angekündig­t, dass überprüft wird, ob wir den Stoff selbststän­dig gelernt haben, wenn wir wieder Schule haben.“

„Ich glaube, dass wir viel Stress haben werden, wenn die Schule wieder losgeht. Wir müssen ja unseren Stoff durchbring­en.“

Freundinne­n trifft sie jedenfalls nicht mehr, Kontakt halte sie übers Telefon. (van)

Z wei Kinder standen am Montag vor einer Privatschu­le in Wien, ein Volks- und ein Vorschulki­nd, berichtet eine anwesende Lehrerin der Schule. Die Kinder werden von vier Erwachsene­n betreut – man habe ursprüngli­ch mit 15 Kindern gerechnet, über das Wochenende kamen immer mehr Absagen. Die beiden sind Kinder von medizinisc­hem Personal. „Der Stundenpla­n wird normal abgehalten, jetzt ist gerade Pause, und sie sind im Garten – mit ausreichen­d Abstand voneinande­r“, sagt die Lehrerin und lacht.

Alle anderen Kinder üben von zu Hause, die Moodle-Plattform, die für die älteren Schüler einer Unterstufe verwendet wird, sei für die Kleinen übernommen werden. „E-Learning ist in der Volksschul­e unüblich. Viele können ja noch nicht auf einer Tastatur schreiben“, erzählt die Deutschleh­rerin: „Für meine Kinder habe ich ein Fotoalbum erstellt, so sehen sie die Buchstaben in der Schrift, in der sie diese kennen“, sagt sie. Abgeben müssen die Schüler ihre Übungen nicht. Trotzdem: Von 45 Kindern, die von ihr unterricht­et werden, gab es am Montagmorg­en bereits zehn Abgaben. „Viele sind motiviert.“Neuer Stoff wird nicht gelernt. Als Hausaufgab­e haben ihre Kinder den Auftrag erhalten, sich zu überlegen, wie ein Gruß ohne Berührung aussehen könnte, und ein Video zu machen. (ook)

D er Unterricht sei eigentlich schon in der vergangene­n Woche nicht mehr möglich gewesen, erzählt ein Lehrer, der an einer Neuen Mittelschu­le in einem Wiener Außenbezir­k unterricht­et. Die Haupttheme­n seien das Coronaviru­s und die Maßnahmen dagegen gewesen. Man habe die Jugendlich­en beruhigt und informiert. An seiner Schule sind am Montag nur vier Kinder zum Standort gekommen, um sich ihre Arbeitsmat­erialien abzuholen.

Die Hauptaufga­be für den Lehrer sei erst einmal gewesen, alle Eltern und Jugendlich­en seiner Klasse durchzuruf­en und abzuklären, ob es allen gut gehe und sie Betreuung hätten. „Bei uns haben viele ältere Geschwiste­r, die sich jetzt um die jüngeren kümmern“, sagt er. Der direkte Kontakt würde den Erziehungs­berechtigt­en und den Jugendlich­en Sicherheit geben. Aufgabenbl­ätter wurden in den Hauptfäche­rn Deutsch, Englisch und Mathe verteilt. Sie werden nach den Ferien von den Klassenleh­rern gefeedback­t. In Nebenfäche­rn sollen die Schüler Präsentati­onen vorbereite­n.

Kontakt würde per E-Mail, aber auch alle paar Tage telefonisc­h gehalten. „Ein digitales Klassenzim­mer würde bei uns nicht funktionie­ren. Viele der Eltern und Schülern sind nicht so onlineaffi­n. Wir sind bodenständ­ig“, sagt der Englischun­d Biolehrer. (ook)

I m Gymnasium in der Wiener Rahlgasse standen am Montag fünf Lehrkräfte bereit, Schülerinn­en und Schüler zu betreuen. Am Wochenende zuvor hatte man damit gerechnet, dass aus den 17 Unterstufe­nklassen nur wenige in die Schule kommen. „Es ist kein Kind zur Betreuung gekommen“, berichtet Schulleite­rin Ilse Rollet dem STAN DARD am Montag. Vereinzelt hätten jüngere Schülerinn­en und Schüler noch Schulsache­n abgeholt. Für die restliche Woche erwartet Rollet ein ähnliches Bild und dass „keine Kinder bei uns betreut werden müssen“. Für den Fall der Fälle stünde weiter ein Journaldie­nst zur Verfügung. Rollet werde in der Schule bleiben, ein bis zwei Kolleginne­n und Kollegen werden sie unterstütz­en. Wer diese sind? „Wir haben eine Liste ausgehängt, wo man sich eintragen konnte“, erklärt Rollet. Lehrende über 60 Jahre, Schwangere und jene mit Betreuungs­pflichten würden ausgenomme­n.

Die Maßnahmen hält Rollet für sinnvoll. Die vergangene Woche hingegen war ein Kraftakt, erzählt die Direktorin. Lernmateri­alien wurden organisier­t, Eltern und Schüler bestmöglic­h informiert. Das sei nicht ganz einfach gewesen. Roller selbst habe sich die Informatio­nen über die Medien zusammenge­sammelt. „Wir haben das gut hinbekomme­n, ohne große Aufregung“, sagt Rollet. (ook)

E igentlich wollte Familie Spari ihre „Home-School“zunächst auch für zwei befreundet­e Kinder öffnen. Doch daraus wurde angesichts der verschärft­en Ausgangsbe­schränkung­en vorerst nichts. Also hat Lillian (10) ihren Ausweich-Schultisch ganz allein am schönsten Platz im Wohnzimmer aufgeschla­gen. Pünktlich zu Schulbegin­n hat sie dort auch Platz genommen, erzählt ihr Vater Gerhard Spari, der neben seiner Arbeit im Homeoffice die Unterricht­sstunden am Vormittag übernommen hat. Die Tochter hat dann auch ganz ambitionie­rt begonnen – und für die Recherche zur Personenbe­schreibung gleich mal ihre Freundin angerufen. „Wie soll man auch sonst wissen, wie die Freundin aussieht“, sagt Herr Spari mit einem Augenzwink­ern. Was ihn mehr irritiert hat: Das ständige Fragen: „Wie schreibt man das?“, „Papa, bitte bring mir eine Schere!“, „Ist schon der nächste Arbeitsauf­trag gekommen?“. Von der Schule wird man nämlich via E-Mail und OnlineLern­plattform informiert. Das klappt bisher ziemlich gut.

Tag eins war dann aber schneller vorbei als gedacht. Lillian bekam Kopfweh und leichtes Fieber. Den STAN DARD für Kinder hat sie trotzdem noch gelesen und den Vater darauf hingewiese­n, dass sie laut diesen Informatio­nen jetzt unbedingt fernsehen soll. (riss)

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