Was passiert mit unseren Grundrechten?
Initiative betreibt „kritische Krisenbeobachtung“
Departments Innere Medizin der Med-Uni Innsbruck
Karoline Kandel Krankenhaushygienikerin im Kaiser-FranzJosef-Spital in Wien
Herwig Kollaritsch Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie sowie für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin
Franz Allerberger Leiter des Bereichs Öffentliche Gesundheit in der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit)
Diese ministerielle Taskforce hält zusätzlich systematischen Kontakt zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).
Beiden staatlichen Krisenbewältigungsteams gehört übrigens Gerry Foitik, der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, an. Lisa Nimmervoll
Das Coronavirus sei „die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Deshalb treten nun Maßnahmen in Kraft, die in Friedenszeiten in Europa bisher kaum vorstellbar waren: Man darf seine Wohnung nur mehr mit triftigem Grund verlassen, soll Krankenhäuser und Pflegeheime nicht betreten und seine Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Wie ist all das mit unseren Grundrechten vereinbar? Rechtlich seien die Maßnahmen durch die Verfassung gedeckt, erklärte Verfassungsrechtler Heinz Mayer am Sonntag im STAN DARD. Die Maßnahmen müssen „verhältnismäßig“sein, das Coronavirus ist eine entsprechend große Bedrohung. Dementsprechend herrscht laut Umfragen eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung für die Reaktionen auf diese Krise.
Doch was passiert mit der Gesellschaft, wenn sie längere Zeit mit diesen Beschränkungen leben muss? „All jene, die Interesse an Kontroll- und Überwachungspolitik haben, haben jetzt weitgehend freie Hand“, warnt eine neue Initiative namens Coview-19. Sie will Personen aus dem Sozial-, Gesundheits-, Kunst- und Unibereich zusammenbringen, um die „temporären, enormen Einschränkungen von Grundrechten kritisch zu begleiten“. Im Gespräch mit dem STAN DARD betont die Initiative, deren Gründer anonym bleiben möchten, die „außerordentliche Situation“zu verstehen: „Auch Politiker brauchen Zeit“.
Benachteiligte Gruppen
Sie warnen allerdings davor, dass einige Gruppen nicht beachtet werden: etwa prekär Beschäftigte oder Flüchtlinge. Man sehe nun, welche Maßnahmen rasch möglich seien, deshalb könne man auch Forderungen stellen, die bisher nicht denkbar wären.
Kritische Worte gab es auch vom Österreichischen Presserat, weil die Regierung den Zugang von Journalisten zu ihren Terminen stark eingeschränkt hat. Bei Pressekonferenzen sind künftig nur noch ORF und APA dabei, andere Medien können Fragen vorab an die APA übermitteln. Das Bundeskanzleramt reagierte nun: Es soll Technik für Fragen per Video installiert werden.
Ebenso Bedenken gibt es in Bezug auf den Datenschutz: So greifen im Kampf gegen das Virus mehrere Länder, darunter China und Südkorea, zur SmartphoneÜberwachung des Standorts: Anhand von Smartphone-Daten wird so ein möglicher Kontakt zu Infizierten ermittelt. Auch in Europa, beispielsweise in Italien und in Belgien, werden derartige Maßnahmen erwägt. Die GrundrechtsNGO Epicenter Works sieht grundsätzlich eine solche Idee nur als sinnvoll, wenn sie zielführend ist: „Wenn sie nicht funktioniert oder Panik verbreitet oder gar Menschen in falscher Sicherheit wiegt, halten wir das nicht für sinnvoll“, sagt Pressesprecherin Iwona Laub. Auch müsste sie datenschutzrechtskonform sein.
Amnesty International Österreich ruft alle Regierungen auf, auch in der Corona-Krise, Menschenrechte in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen. Menschenrechte seien genau für Zeiten wie diese gemacht – in Zeiten, in denen wir besonders aufeinander schauen und aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Die NGO will die neuen Gesetze genau analysieren. (fsc, muz, lalo)