Der Standard

Die Gratwander­ung der Krisenmess­age

Zielgerich­tete Kommunikat­ion ist für die Regierung jetzt besonders wichtig. Das Problem: Die Worte des Kanzlers sollen beruhigen, aber auch den Ernst der Lage vermitteln.

- Sebastian Fellner, Michael Völker

Sebastian Kurz kommunizie­rt auf allen Kanälen. Er spricht im Parlament, wendet sich in einer TV-Ansprache direkt an die Bevölkerun­g, er kommt in die Zeit im Bild-Studios, er spricht in den Journalen des ORF-Radios. Der Kanzler ist, wenn man die Medien konsumiert, allgegenwä­rtig. Und das ist gut so. Kurz kommunizie­rt die Krise. Er tut dies bewusst, nicht allzu sehr inszeniert und nicht zur Selbstdars­tellung, sondern um nachhaltig eine Botschaft der Regierung unter die Bevölkerun­g zur bringen: Es ist ernst.

Die ständige Kommunikat­ion ist wichtig, um die Leute zu erreichen und letztendli­ch auch, um ernst genommen zu werden. Daher auch die Kontinuitä­t des Auftretens und die ständigen Wiederholu­ngen. Kurz will sicher gehen, dass das, was er zu sagen hat, auch ankommt. Dabei ist das eine Gratwander­ung zwischen Panikmache und Beruhigung. Die Regierung bemüht sich sehr darum, die Bevölkerun­g nicht in Angst und Schrecken zu versetzen, um unvorherse­hbare Panikreakt­ionen zu vermeiden (nur beim Klopapierh­orten klappt das nicht), anderersei­ts aber auch, um den

Ernst der Lage und die Notwendigk­eit der gesetzten Maßnahmen zu unterstrei­chen.

Wenn es um Krisenkomm­unikation geht, sei das Ideal, „zeitnah so viel wie möglich transparen­t zu kommunizie­ren“, sagt Daniela Giebel. Die Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n berät Firmen in genau diesem Bereich. Dabei sollten Fehler und Unsicherhe­iten offen angesproch­en werden.

Salamitakt­ik

Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober von den Grünen sind die Gesichter dieser Krise. An ihnen liegt es, die Botschafte­n nachhaltig rüberzubri­ngen. Sie treten nicht umsonst oft und meist gemeinsam auf: „Eine OneVoice-Strategie ist im Krisenmana­gement wichtig, die Botschaft lautet: Wir machen gemeinsame Sache“, sagt Giebel.

Die Ruhe, die Kurz derzeit ausstrahlt, wohnt Anschober sowieso inne. Der Oberösterr­eicher hat ausreichen­d Erfahrung in Regierungs­ämtern, bis zum Eintritt in die türkis-grüne Koalition allerdings nur auf Landeseben­e. Anschober kommunizie­rt sehr direkt, so gut es geht, versucht er

Floskeln und leere Redewendun­gen zu vermeiden. Was auch nicht immer gelingt, aber er setzt auf eine gewisse Lockerheit im Reden.

Was Kurz und Anschober und in Teilbereic­hen auch Innenminis­ter Karl Nehammer in den vergangene­n Tagen mitzuteile­n hatten, war durchaus angetan, Panik zu erzeugen. Daher wurden die Maßnahmen immer nur schrittwei­se und verteilt kundgetan, nicht auf einmal. Hätte die Regierung bereits vergangene Woche alles auf einmal auf den Tisch gelegt, hätte das in der Bevölkerun­g zu einem kollektive­n Schock geführt mit unvorherse­hbaren Auswirkung­en. Am Freitag noch erklärte Nehammer, eine allgemeine Ausgangssp­erre sei ausgeschlo­ssen. Im ORF darauf angesproch­en, dass nun sehr wohl weitreiche­nde Ausgangsbe­schränkung­en in Kraft treten, verteidigt­e Kurz das Vorgehen der Regierung: „Wir versuchen die Schritte so vorzuberei­ten und der Öffentlich­keit zu präsentier­en, dass keine Panik ausbricht.“Der Preis dafür war, dass sich manche Bürger papierlt vorkamen: Kaum war eine Maßnahme verkündet, folgte die nächste Verschärfu­ng.

Kurz wagte sich von Auftritt zu Auftritt immer einen Schritt vorwärts. „Bleiben Sie ruhig“, war die Botschaft, aber auch: „Seien Sie auf alles gefasst“. Ganz bewusst sprach Kurz auch den Ernst der Lage an, als er die drohenden und wahrschein­lichen Todesfälle in eine seiner Ansprachen einbaute. Nicht nur, um Verständni­s für die Maßnahmen zu schaffen, sondern auch, um jene zu erreichen, die die Verbreitun­g des Corona-Virus und dessen Folgen bisher auf die leichte Schulter genommen hatten.

Dramatik als Vehikel

Kommunikat­ionsexpert­in Giebel ist skeptisch, was emotionali­sierende Sprache angeht. Aber: „Wenn es darum geht, dass Menschen nachvollzi­ehen können, warum ich mich so entscheide, kann Dramatik das Verständni­s für mein Handeln erhöhen.“Das Verhalten und die Kommunikat­ion der Regierende­n sei in solchen Zeiten aber immer eine Gratwander­ung: „Entweder ist man zu früh dran, dann gilt es als Panikmache. Oder man ist zu spät dran, dann war man unverantwo­rtlich“, sagt Giebel.

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Wenn’s um Corona geht, informiert Kanzler Sebastian Kurz persönlich – flankiert von den Ministern Rudolf Anschober und Karl Nehammer.

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