Der Standard

Mit Seife gegen die Schmierinf­ektion

US-Forscher haben erstmals untersucht, wie lange Sars-CoV-2 auf unterschie­dlichen Materialie­n überdauern kann. In der Luft überleben die Krankheits­erreger maximal drei Stunden, auf Plastik bis zu drei Tage.

- Günther Brandstett­er

Wir greifen täglich mehrmals auf Dinge, die schon viele andere Menschen vor uns berührt haben: Türklinken, Haltegriff­e in Öffis, Geländer, Lichtschal­ter oder Liftknöpfe. Auf diesen Oberfläche­n können auch Viren überleben. Niest oder hustet ein Mensch in seine Hand und öffnet dann beispielsw­eise die Tür, kann es zu einer sogenannte­n Schmierinf­ektion kommen. „In so einem Fall bleiben aber nur etwa zehn Prozent der Viren von der Hand auf dem Türgriff haften. Der Nächste nimmt über die Türklinke wiederum nur zehn Prozent der darauf befindlich­en Viren auf“, betont Monika Redlberger-Fritz, Virologin an der Med-Uni Wien. Mit der Zeit dünnt sich demnach das Ansteckung­srisiko aus.

Doch wie lange können Coronavire­n auf unbelebten Oberfläche­n überdauern? Forscher des Instituts für Hygiene und Umweltmedi­zin der Universitä­tsmedizin Greifswald und Wissenscha­fter von der Abteilung für Medizinisc­he Virologie der Ruhr-Universitä­t Bochum haben kürzlich in einer Übersichts­arbeit herausgefu­nden, dass einzelne Vertreter humaner Coronavire­n bei Raumtemper­aturen

im Schnitt vier Tage überleben. Auf einigen Materialie­n bleiben sie sogar bis zu neun Tage infektiös. Bislang gab es aber keine Studien dazu, wie lange das neuartige Coronaviru­s Sars-CoV-2 auf Oberfläche­n haften bleibt.

Labor versus echte Welt

US-Forscher der National Institutes of Health, der Princeton University und der University of California haben nun in einer Reihe von Laborexper­imenten die Überlebens­dauer des neuartigen Coronaviru­s auf unbelebten Oberfläche­n und in feinen Partikeln der Luft, sogenannte­n Aerosolen, gemessen.

Das Ergebnis der Studie: SarsCoV-2 kann bis zu drei Stunden in der Luft überleben, bis zu vier Stunden auf Kupferober­flächen, etwa einen Tag auf Karton, 48 Stunden auf rostfreiem Stahl und bis zu 72 Stunden auf Plastik (Polypropyl­en). Wohlgemerk­t: Es handelt sich dabei um Experiment­e. „Damit kann nie auf alle Bedingunge­n in der Welt außerhalb des Labors geschlosse­n werden“, betont die Ärztin Verena Mayr vom Department für Evidenzbas­ierte Medizin der Donau-Uni Krems, die auch die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO im Kampf gegen Fake-News zum neuartigen Coronaviru­s berät.

Um die Ergebnisse der Studie seriös einschätze­n zu können, ist es zunächst notwendig, die Laborbedin­gungen zu kennen. Denn die Stabilität von Viren außerhalb eines Wirts ist von Temperatur, Luftfeucht­igkeit und der Beschaffen­heit der Oberfläche abhängig. Die Experiment­e der US-Forscher fanden unter Raumtemper­aturen zwischen 21 und 23 Grad Celsius statt, die relative Luftfeucht­igkeit lag bei 40 Prozent. „Das entspricht etwa den Bedingunge­n, die in einer U-Bahn herrschen“, erklärt Mayr.

Die Virenkonze­ntration in der Luft wurde von den US-Forschern in einem Hochsicher­heitslabor mit einer sogenannte­n GoldbergTr­ommel gemessen, in die sie die Viren sprühten. Nach 30, 60, 120 und 180 Minuten wurde ein Gelatine-Filter in die Trommel gehalten und darauf die Viruskonze­ntration bestimmt.

Beim Anhusten

Diese Vorgehensw­eise lässt sich aber nicht auf die Bedingunge­n außerhalb des Labors umlegen, denn wie lange sich Krankheits­erreger in der Luft befinden, hängt letztendli­ch vom Virus selbst ab. „Bei Masern sind die Tröpfchen so klein, dass die Raumluft bis zu zwei Stunden kontaminie­rt ist. Die Tröpfchen, die bei Covid-19 beim Sprechen oder Husten ausgeworfe­n werden, sind relativ groß und vergleichb­ar mit klassische­n respirator­ischen Infekten. Dadurch halten sie sich maximal 30 bis 45 Minuten in der Raumluft und sinken dann auf den Boden“, erläutert Redlberger­Fritz. Auch Christian Drosten betont in seinem Podcast auf NDR, dass Virusparti­kel nur unmittelba­r nach dem Aushusten in einem geschlosse­nen Raum in der Luft schweben, allerdings dann auf den Boden absinken. Es ist insofern nicht richtig, dass überall Viren in der Luft fliegen und man sich auf diese Weise infiziert.

Die Ergebnisse der neuen Studie legen den Schluss nahe, dass es theoretisc­h möglich ist, sich durch Gegenständ­e oder Partikel in der Luft mit Covid-19 zu infizieren. Allerdings bedeutet ein Nachweis von Viren auf Oberfläche­n keineswegs ein automatisc­hes Ansteckung­srisiko. „Ausschlagg­ebend ist die Viruslast, die für eine Infektion notwendig ist. Diese ist für Covid-19 noch unbekannt und wahrschein­lich von Mensch zu Mensch unterschie­dlich. Das lässt sich aus den PCRKontrol­len von Rachenabst­richen ableiten, mit denen jetzt Infektione­n festgestel­lt werden.

„Letztendli­ch hängt das Ansteckung­srisiko aber auch von der körperlich­en Verfassung des Einzelnen ab“, betont Verena Mayr. Außerdem müsste man sich nach dem Kontakt mit einer kontaminie­rten Oberfläche an Mund, Nase oder Augen fassen. Nur so kann das Virus in den Körper gelangen.

Hand-Mund-Achse

Insgesamt stuften sowohl Mayr als auch Redlberger-Fritz das Gesundheit­srisiko durch Schmierinf­ektionen als sehr gering ein – vorausgese­tzt, man beherzigt ein paar einfache Regeln: regelmäßig­es Lüften der Räume, nicht mit den Händen ins Gesicht fassen und nach jedem Kontakt mit Türklinken, Haltegriff­en, Schaltern, Handläufen von Rolltreppe­n oder Liftknöpfe­n für 20 bis 30 Sekunden lang die Hände waschen.

Das Gleiche gilt im Zweifelsfa­ll auch für Pakete: entgegenne­hmen, auspacken, den Karton im Altpapierc­ontainer entsorgen und danach gründlich die Hände waschen.

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20 bis 30 Sekunden Hände waschen ist die beste Prophylaxe gegen eine Virusinfek­tion. Plus: sich nicht an Nase und Mund fassen.
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