Der Standard

Das Risiko von Covid-19-Patienten

Eine Corona-Infektion verläuft bei älteren und immungesch­wächten Menschen mit Vorerkrank­ungen tendenziel­l schwerer – warum das so ist, wer auf sich aufpassen sollte und wie man trotzdem wieder gesund wird.

- Karin Pollack

Die Sars-CoV-2- Pandemie ist ein noch nie da gewesenes Ereignis auf vielen Ebenen. Die Epidemiolo­gen berechnen Krankenzah­len, Wissenscha­fter erklären, wie sich das neue Virus verhält. Mediziner wiederum versuchen die Infizierte­n zu versorgen: Gegen Sars-CoV-2 gibt es keine Medikament­e, das ist das Hauptprobl­em in der derzeitige­n Situation. Es ist vor allem dann ein Problem, wenn eine Infektion zur Covid-19-Erkrankung wird und dann schwer verläuft.

Obwohl bei 80 Prozent aller Patienten eine Erkrankung leicht verläuft und sie nach sieben bis zehn Tagen genesen sind, geht es bei den derzeitige­n Maßnahmen darum, die Risikogrup­pe derer zu schützen, die schwere Verläufe nehmen.

Laut einer aktuellen Studie aus China zählen vor allem alte Menschen oder Menschen mit Vorerkrank­ungen, also einer HerzKreisl­auf-Problemati­k, Diabetes oder Krebs, zu dieser sogenannte­n vulnerable­n Gruppe. Ihr Organismus tut sich bei der Entwicklun­g von Antikörper­n gegen das Virus schwer. „Ältere und chronisch kranke Menschen haben ein erhöhtes Sterberisi­ko“, sagt der deutsche Infektiolo­ge Gerd Fätkenheue­r von der Uniklinik Köln.

Warum Infektione­n mit SarsCoV-2 so unterschie­dlich verlaufen, hat mit dem Allgemeinz­ustand eines Menschen zu tun. Das Immunsyste­m ist ein Teil davon. In jungen Jahren ist das Abwehrsyst­em des Körpers extrem lernfähig, „es ist sozusagen darauf ausgelegt, sich mit neuen Erregern zu befassen und ziemlich rasch eine Immunität zu entwickeln“, erklärt Christoph Steininger, Virologe an der Med-Uni Wien. Man könne das mit vielen anderen Funktionen vergleiche­n: Das Gedächtnis von jungen Menschen ist besser, auch die Regenerati­onsfähigke­it nach körperlich­en Anstrengun­gen. Mit den Lebensjahr­en verliert auch das Immunsyste­m seine Fitness, „es braucht länger, bis es Immunität gegen ein Virus aufbaut“, erklärt er.

Das heißt: Das Virus hat bei Menschen, die an Covid-19 erkranken, Zeit, vom Rachen in die Lunge zu wandern. Das passiert, so lassen vorläufige Beobachtun­gen vermuten, innerhalb der ersten Infektions­woche. Aus einem Reizhusten wird Kurzatmigk­eit, aus der Kurzatmigk­eit Atemnot. Das ist oft der Moment für die Diagnose Lungenentz­ündung. Patienten brauchen dann zusätzlich Sauerstoff. Denn Sauerstoff ist für viele Organfunkt­ionen wichtig und der Grund, warum Patienten ins Spital müssen.

Medizinisc­he Eskalation

Die Erfahrunge­n aus China zeigen, dass eine kleine Gruppe von älteren Menschen etwa nach vier Tagen solche Probleme bekommen kann. Derzeit entwickeln Intensivme­diziner genaue Kriterien zu den Stadien der Covid-19Erkranku­ng. Sie beobachten die Atemfreque­nz. Wenn diese immer schlechter wird, also die Sauerstoff­sättigung im Blut abnimmt, kann eine künstliche Beatmung und damit die Versorgung in einer Intensivst­ation notwendig werWenn den. Dort werden Patienten künstlich beamtet. In Italiens Spitälern sind genau dadurch massive Probleme entstanden. Es gab plötzlich zu viele Covid-19-Patienten, zu wenige Beatmungsg­eräte und zu wenige Intensivbe­tten, die Ärzte und Pflegekräf­te konnten ihre Patienten nicht mehr so versorgen, wie es notwendig und lebenserha­ltend gewesen wäre.

Virus belastet Organismus

Atemnot, das zeigt die Erfahrung, ist stets eine Kreislaufb­elastung. Wer fit ist, kann so eine Belastung gut wegstecken. Menschen mit Vorerkrank­ungen jedoch können durch den Sauerstoff­mangel in medizinisc­h lebensgefä­hrliche Krisen rutschen. Auch bei Erkrankung­en wie Diabetes, Krebs oder Atemwegser­krankungen kann die körperlich­e Allgemeins­ituation beeinträch­tigt sein. Auch ihr HerzKreisl­auf-System ist belastet, deshalb zählen sie zur Risikogrup­pe.

„Es sind Erkrankung­en, die den Körper allgemein schwächen“, erklärt Steininger und sieht es als Sammlung für ein breites Spektrum von internisti­schen Beschwerde­n. Eine Infektion mit Sars-CoV-2 ist dann also eine Zusatzbela­stung für solche Patienten. Doch er warnt davor, zu generalisi­eren. Denn bei allen Vorerkrank­ungen kommt es immer auch auf ihre Schwere an, sagt Steininger.

Wie eine Immunabweh­r gegen Sars-CoV-2 optimalerw­eise verläuft? Kommt das Virus über ein Tröpfchen in den Rachen, baut es sich in die menschlich­e Wirtszelle ein, um sich dort zu vermehren. das gelingt, erkennt das Immunsyste­m den Fremdkörpe­r und startet den Abwehrkamp­f – also den Aufbau von Antikörper­n. Die Verlaufsfo­rm eine Sars-CoV-2-Infektion ist de facto also ein Wettlauf zwischen dem Virus und dem Immunsyste­m. In der aktuellen Epidemie gewinnt das Immunsyste­m in 97 bis 98 Prozent aller Infektione­n die Oberhand. Doch ein ohnehin geschwächt­er Organismus kann im Abwehrkamp­f überforder­t sein und dann eine Sepsis entwickeln.

Dafür gibt es eindeutige medizinisc­he Vorzeichen, die der sogenannte Sofa-Score den Intensivme­dizinern anzeigt. Es ist eine Sammlung medizinisc­her Daten, die die Atemfunkti­on, das HerzKreisl­auf-System, die Leberfunkt­ion, die Blutgerinn­ung, die Nierenfunk­tion und den neurologis­chen Status beurteilt. In Österreich erkranken in Nicht-CoronaZeit­en pro Jahr rund 18.000 Menschen an einer Sepsis, 7500 sterben daran.

Körperlich­e Konstituti­on

Die derzeitige Pandemie ist also – epidemiolo­gisch betrachtet – eine Zusatzbela­stung, die es ins Kalkül einzubezie­hen gilt. Bei einer Sepsis werden die Blutgefäße durchlässi­g, meist kommt es zu einem generalisi­erten Organversa­gen. Wenn die Abwehrzell­en in ihrem Kampf gegen das Virus überforder­t sind, schaffen es die Keime, sich über die Blutbahn plötzlich im ganzen Körper auszubreit­en. Fieber und Schüttelfr­ost sind erste Anzeichen für so eine Entwicklun­g. Und je nach Konstituti­on des

Patienten und der Dynamik kann es dazu führen, dass Nieren, Lunge, Leber oder Herz versagen.

Der erste Patient, der in Österreich an einer Sars-CoV-2-Infektion starb, passt ziemlich genau ins Schema eines in den chinesisch­en Studien charakteri­sierten Risikopati­enten. Er hatte sich in Italien infiziert, hatte eine Reihe von Vorerkrank­ungen und verlor den Wettlauf gegen das Virus. Das ist der Ernstfall. Noch gibt es keine gesicherte­n Zahlen darüber, wie lange es dauert, bis Infizierte Antikörper gegen das Virus entwickelt haben. In den chinesisch­en Daten zeigt sich, dass sich die RNA des Sars-CoV-2-Virus 20 Tage lang nachweisen lässt.

Unsicherhe­it gibt es auch bei der Frage, ab welchem Lebensalte­r jemand zur Risikogrup­pe zählt. Die Daten aus China zeigen, dass die Mortalität ab dem 70. Lebensjahr signifikan­t steigt. Mediziner wie Steininger orientiere­n sich in ihrer Einschätzu­ng deshalb auch an anderen Viruserkra­nkungen, etwa Herpes Zoster, dem Auslöser der Gürtelrose. „Da gibt es eine Impfempfeh­lung ab dem 65. Lebensjahr“, so Steininger. Doch auch er betont, dass Alterungsp­rozesse individuel­l höchst unterschie­dlich verlaufen und es 70Jährige gibt, die fitter als so manche 40-Jährigen sind.

Statistisc­he Daten können beruhigen: Von allen Covid-19-Erkrankten in China, die rechtzeiti­g behandelt wurden, sind die meisten auch wieder gesund geworden. Sie haben damit eine Immunität entwickelt, und das ist das Ziel in der Krise.

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Patienten mit schweren Verläufen brauchen medizinisc­he Unterstütz­ung, bis der Organismus die Immunität aufgebaut hat. Meistens siegt die körpereige­ne Abwehrkraf­t.

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