Der Standard

Die nackte Panik der Märkte

Die rapide Zinssenkun­g der Fed und die konzertier­ten Aktionen mit anderen Notenbanke­n verpuffen vorerst. Die Märkte verfallen in Panik. Denn es ist klar, dass diese Krise viel größer ist, als die Finanzkris­e es war.

- Bettina Pfluger

Die US-Notenbank Fed hat Sonntagnac­ht umfangreic­he Maßnahmen vorgestell­t, um die wirtschaft­lichen Folgen der Coronaviru­s-Krise abzufedern. Die Leitzinsen wurden auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent gesenkt, 700 Milliarden Dollar werden in das System gepumpt. Gemeinsam mit den Zentralban­ken in Kanada, Großbritan­nien, Japan, der Schweiz und mit der EZB wurde vereinbart, günstige DollarKred­ite anzubieten. Damit soll das Finanzsyst­em global gestärkt und die Versorgung der Geldhäuser mit der Weltleitwä­hrung gesichert werden.

In vielen Ländern werden milliarden­schwere Hilfspaket­e verkündet. Auch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) bietet betroffene­n Ländern Finanzhilf­en. Die Kreditkapa­zität von einer Billion USDollar (900 Mrd. Euro) des Fonds könne zur Unterstütz­ung von Mitgliedss­taaten eingesetzt werden, teilte IWF-Direktorin Kristalina Georgieva mit.

Dennoch kannten die Börsen weltweit nur eine Richtung: nach unten. Die Kurse

brachen ein. Der Euro Stoxx 50, er fasst Europas führende Unternehme­n zusammen, hat bis Redaktions­schluss mehr als vier Prozent abgegeben, der deutsche Dax mehr als drei Prozent. Der Wiener Leitindex ATX hat im Verlauf seine Verluste auf knapp zehn Prozent ausgebaut. Die US-Börsen haben aufgrund massiver Verluste den Handel nach dem Start unterbroch­en. Im Verlauf sackte der Dow Jones um mehr als zwölf

Prozent ab. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 7,56 Prozent.

Warum beruhigen die Aktionen der Notenbanke­n die Märkte nicht? Das ist erklärbar mit dem aktuellen Spannungsf­eld. „Die konzertier­te Aktion der Notenbanke­n soll zeigen, dass die Liquidität im Finanzsyst­em sichergest­ellt wird. Zeitgleich macht das die Besorgnis im Markt deutlich“, erklärt Monika Rosen-Philipp, Chefanalys­tin Private Banking

der Unicredit Bank Austria. Es zeigt, wie ernst die Lage geworden ist und dass die Fed bereits im absoluten Krisenmodu­s ist, wie zuletzt in der Finanzkris­e 2008. Hinzu kommen erste Stimmen aus dem Markt, wonach die Maßnahmen der Fed zu früh und zu stark waren. Es gebe damit weniger Puffer.

Rasches Handeln ist aber wohl das Gebot der Stunde. „Durch die in Summe extrem angespannt­e Lage gilt es, Zweitrunde­neffekte zu verhindern“, erklärt Gerhard Winzer, Chefvolksw­irt der Erste Asset Management. Die Liquidität, die von Notenbanke­n und anderen Stellen zugesagt werde, müsse auch bei kleinen Unternehme­n und EPUs ankommen, „damit diese noch da sind, wenn die Nachfrage wieder steigt“, sagt Winzer.

Und hier steckt die Sprengkraf­t: Durch die umfangreic­hen Maßnahmen zur Eindämmung

des Coronaviru­s sind viele Branchen – allen voran der Tourismus – von einem Angebots- und Nachfrages­topp betroffen. Dennoch laufen Kosten (für Miete, Inventar, Personal) weiter. Wenige Unternehme­n können sich das lange leisten. Je mehr Konkurse es in der Folge gibt, je mehr die Arbeitslos­igkeit steigt, desto mehr werden die Leute ihre Kredite nicht mehr bezahlen können, die Rate der sogenannte­n Non Performing Loans (NPL) wird wieder ansteigen. Das belastet die Banken, die als Liquidität­sverteiler eine wichtige Rolle haben.

Die globale Rezession ist wohl nicht mehr aufzuhalte­n. Die Corona-Krise betrifft eben nicht nur die Finanzwelt wie 2008, sie hat die Realwirtsc­haft fest im Würgegriff. Die Kreditausf­allversich­erungen von europäisch­en Unternehme­n verteuern sich bereits und haben den höchsten Stand seit 2012. Eurogruppe­nChef Mario Centeno sagte am Montag, die erzwungene­n Eindämmung­smaßnahmen brächten Europas Volkswirts­chaften in „kriegsähnl­iche“Zeiten.

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