Der Standard

Leadership in der Corona-Krise

-

Die Ereignisse der letzten Tage rufen wieder in Erinnerung, dass das „IbizaVideo“ein Glücksfall für die Zweite Republik gewesen ist. Es wäre ein Albtraum, sich manche FPÖ-Politiker in Schlüssels­tellungen des Staates während der Coronaviru­s-Krise vorzustell­en. Die Koalitions­regierung, vor allem Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (und der Bundespräs­ident!), haben das zerstöreri­sche Potenzial des von Wuhan nach Tirol gelangten Virus richtig eingeschät­zt, das rechte Maß gefunden, die Sondermaßn­ahmen im richtigen Ton und überzeugen­d mitgeteilt. Es ging der politische­n Führung nicht darum, Lorbeeren zu pflücken, sondern Vertrauen zu gewinnen. enn wir über Krisenmana­gement sprechen, muss man auch auf die hohe Anfälligke­it global vernetzter Systeme und gerade deshalb auch auf die Notwendigk­eit einer solidarisc­hen Zusammenar­beit auf internatio­naler Ebene hinweisen. Die Welt und vor allem wir Europäer erleben jeden Tag, dass die Corona-Pandemie keine Grenzen kennt. Wenn eine politische Führungspe­rsönlichke­it trotzdem die beispiello­se Viruskrise als nationales Problem hinstellt und ausländisc­he Schuldige sucht, öffnet er nationalis­tischen und

Wfremdenfe­indlichen Impulsen Tür und Tor. So hat am Freitag Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán in seinem wöchentlic­hen Rundfunkin­terview als erster Regierungs­chef in der EU Ausländer und Migration für die Ausbreitun­g des Coronaviru­s in seinem Land verantwort­lich gemacht. Auf die Frage, warum Ungarn die Universitä­ten, aber nicht die Schulen schließe, sagte Orbán, weil „es dort viele Ausländer gibt“. Um das Flüchtling­sthema aufzuwärme­n, fügte er hinzu: „Wir sind in einem Zweifronte­nkrieg. Die eine ist das Coronaviru­s, die andere die Migration.“Trotz der öffentlich­en Warnungen von Virologen, dass die Zahl der Infizierte­n in zwei Wochen 60.000 erreichen könnte, wird das

Problem von der Regierung herunterge­spielt. Die Bitte der Ärztekamme­r um Schutzausr­üstungen für die Ärzte und für mehr Testmöglic­hkeiten hat Regierungs­sprecher Zoltán Kovács als „eine politische Aktion“verdammt. Erst seit Montag gilt „das österreich­ische Beispiel“auch in Ungarn. rbáns großes Vorbild, USPräsiden­t Donald Trump, ging in der Verniedlic­hung der Gefahr („weniger schlimm als Grippe“) und bei der Schaffung eines Feindbilds viel weiter. Es seien Reisende aus Europa, die das „ausländisc­he Virus“eingeschle­ppt hätten und er warf der EU vor, bei der Bekämpfung des Virus versagt zu haben. Es war freilich Trump, der nicht nur bei der

OEindämmun­g des Virus total versagt, sondern mit seiner ohne Vorwarnung verfügten Reisesperr­e und mit seinem Druck auf die Notenbank wegen einer Zinssenkun­g auch den freien Fall der Finanzmärk­te ins Unerträgli­che gesteigert hat. Allerdings wurde in der Corona-Notsituati­on auch die Schwäche anderer Führungsfi­guren offensicht­lich. War etwa die Abhaltung der Regionalwa­hlen in Frankreich oder Bayern vor dem Hintergrun­d gleichzeit­ig verfügter dramatisch­er Maßnahmen wirklich notwendig? Haben die EU und die Mitgliedss­taaten wieder eine Chance verpasst, statt politische­r Schuldzuwe­isung den Vorteil des gemeinsame­n Handelns ihrer Union zu stärken?

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria