LESERSTIMMEN
Aus Kommentaren internationaler Tageszeitungen zur Covid-19Pandemie: (Düsseldorf) Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass sich Europa in seine nationalen Einzelteile zerlegt. (...) Die Bundesregierung hat sich bisher wenig ruhmreich verhalten. Der Exportstopp für Schutzausrüstung war ein nationaler Alleingang, von dem Berlin erst auf massiven Druck aus Brüssel wieder abgerückt ist. Als größtes, finanziell und medizinisch gut gerüstetes EU-Mitglied muss Deutschland Führungsstärke zeigen, gerade jetzt.
Das bedeutet, die Interessen der Nachbarstaaten mitzudenken. Wenn Angst zum wichtigsten politischen Ratgeber wird und jeder nur noch an sich selbst denkt, wird Europa die Corona-Epidemie nicht überstehen. (Rom) Währenddessen kommt die Gesundheitshilfe für Italien leichter aus dem klugen China als von misstrauischen europäischen Freunden. Das Virus hat die Heucheleien zerschlagen – es bleibt nur noch die Rhetorik. (Warschau) Die fehlende Antwort auf die Hilferufe aus Rom sind für Euroskeptiker ein weiteres Beispiel dafür, dass in Krisensituationen jedes Land allein ohne Rücksicht auf die anderen entscheidet und Brüssel nicht viel machen kann.
Die Wahrheit ist, dass auch die EU das Risiko nicht richtig eingeschätzt hat. Ihre Führer haben sich in den vergangenen Wochen auf die Migrationsfrage konzentriert. Weil sie aus der Erfahrung vor fünf Jahren gelernt haben, befassten sie sich vor allem mit der wachsenden Zahl der Migranten an der griechisch-türkischen Grenze, während eine beispiellose Bedrohung an anderer Stelle erwuchs.
Brüssel ist Sars-CoV-2 nicht zuvorgekommen – aber schließlich hat das niemand geschafft. Noch vor einigen Wochen hielten nur wenige in Europa das Coronavirus für eine echte Bedrohung. Man hat es – ähnlich wie Zika-Fieber, Ebola oder Sars – als exotische Krankheit betrachtet, die uns nicht betrifft. (Prag) Offenheit sollte die Grundlage jeder Krisenkommunikation sein. (...) Wenn Ministerpräsident Andrej Babiš in einem Fernsehinterview ankündigt, dass er eine landesweite Quarantäne verhängen wird und daraufhin stundenlange Unsicherheit darüber herrscht, was nun verboten wird und was nicht, dann ist das nichts anderes als sträfliche Verunsicherung der Bürger. Dass die Journalisten der meisten Medien von den Pressekonferenzen der Regierung ausgeschlossen werden, setzt dem Ganzen die Krone auf. (...)
Wenn die Menschen glauben sollen, dass die getroffenen drakonischen Maßnahmen wie das Ausreiseverbot, das Tschechien als erstes Land der Welt eingeführt hat, die bestmöglichen sind, muss man auch an der Vorbereitung des Gesundheitssystems arbeiten. Und daran hapert es.
Wohltuende Uneitelkeit
Betrifft: Gesundheitsminister
Ich bin der Meinung, dass wir in Österreich mit diesem sowohl kompetenten als auch menschlichen Minister einen wirklichen Glücksgriff getan haben. Herr Anschober ist vor seiner Ministerkarriere bereits durch seine Kampagne für das Bleiberecht von Lehrlingen, die noch keinen Asylstatus haben, sehr positiv aufgefallen als eine Persönlichkeit, die human und zugleich vernünftig agiert.
Sein Krisenmanagement, seine ruhige und umsichtige Art und das Fehlen persönlicher Eitelkeiten, die sich andere Personen in politischen Funktionen noch immer nicht ganz verkneifen können, sind wohltuend. Ich bin sehr froh, dass dieses gerade jetzt so wichtige Ministerium nicht mehr in der Hand der völlig inkompetenten blauen Truppe ist. Schade, dass das Innenministerium mit diesem Ex-Militär, dem Mann fürs Grobe, der ratternd Phrasen von sich gibt, besetzt ist, dieser Herr macht dagegen nicht den Eindruck eines strategischen Denkers. Ulrike Nabavi, per Mail
Eigenverantwortung
Betrifft: Ausgangsbeschränkung Wir geben es zu: Der wöchentliche Marktbesuch wäre nicht unbedingt notwendig gewesen, denn ausreichend Grundnahrungsmittel für unsere vierköpfige junge Familie hatten wir daheim. Insofern waren schon Gewissensbisse dabei.
Über das Bild, das sich uns am Linzer Südbahnhofmarkt an diesem Samstag bot, waren wir dann aber perplex: So viele ältere Menschen auf einmal, eng in zahlreichen Grüppchen zusammenstehend, waren uns dort noch nie begegnet. Die Risikogruppe mag Bedarf an Austausch gehabt haben, übte sich dabei aber in riskantem Verhalten. Unsere Gewissensbisse wichen einem gewissen Ärger. Wir fragen uns, ob die anwesenden Älteren meinen, die Minimierung der Sozialkontakte wäre der Risikogruppe selbst nicht zumutbar? Oder aber, ob der mediale Appell an die jüngere Bevölkerungsgruppe deutlicher ausgefallen war als der Appell an die Eigenverantwortung der Älteren?
Johanna Zelenka, per Mail