Der Standard

Corona-Test für die Weltgemein­schaft

Nationale Alleingäng­e dürfen den Kampf gegen das Virus nicht behindern

- Eric Frey

Eine Pandemie ist der klassische Fall einer globalen Bedrohung, die nur über enge internatio­nale Konsultati­on und Kooperatio­n bekämpft werden kann. Doch die Realität der Corona-Krise ist eine andere: Jeder Staat setzt seine eigenen Maßnahmen mit mehr oder weniger Härte; dazu gehören auch Grenzschli­eßungen und Einreiseve­rbote gegenüber anderen Staaten, in denen die Infektions­zahlen auch nicht höher sind als im eigenen Land.

Ein gewisses Verständni­s für diese Vorgangswe­ise ist angebracht. Die Gesundheit der Bevölkerun­g zu gewährleis­ten gehört zu den Kernaufgab­en jeder Regierung, und ihre Politik muss nationale Gegebenhei­ten berücksich­tigen. Die EU hat hier kaum Kompetenze­n. Die Zwangsmaßn­ahmen, die überall verhängt werden, müssen demokratis­ch legitimier­t sein. Man stelle sich den Aufschrei vor, wären die Ausgangssp­erren in Österreich nicht durch die türkis-grüne Regierung, sondern von der EU verhängt worden. Die zahlreiche­n Grenzschli­eßungen haben auch eine positive Wirkung: Sie bremsen den Reiseverke­hr, der entscheide­nd zur Ausbreitun­g des Virus beiträgt. Aber hier zeigt sich schon der große Schwachpun­kt nationaler Maßnahmen gegenüber einer transnatio­nalen Bedrohung: Die Virus-Hotspots halten sich ja nicht an politische Grenzen. Nicht ganz Italien ist die Problemzon­e, sondern der Norden und vor allem die Lombardei. In Österreich ist es Tirol, und hier wiederum nicht das ganze Bundesland, sondern der äußerste Westen und Innsbruck. Das deutsche Einreiseve­rbot für Bewohner von Kufstein ist daher sinnlos. Viel wichtiger wäre es, innerhalb eines Staatsgebi­etes die Krisenregi­onen unter Quarantäne zu stellen. Doch dies ist politisch heikel; viel einfacher ist es, die Außengrenz­en zu schließen.

Vor allem in großen Staaten sind solche Grenzschli­eßungen ein reines Placebo, wenn das Virus bereits grassiert. Den USA bringt das Einreiseve­rbot für die meisten Europäer gar nichts, solange sich die Amerikaner gegenseiti­g anstecken können.

Die unterschie­dlichen Vorgangswe­isen aber könnten mittelfris­tig Abschottun­gen rechtferti­gen. Wenn Österreich oder Spanien mit ihren strikten Regeln mehr Erfolg bei der Eindämmung haben als laxere Staaten, dann sind Grenzschli­eßungen eine logische Folge. Auch die Teilschlie­ßung der EU-Außengrenz­e ist womöglich nur ein erster Schritt. Es kann sein, dass im Sommer überhaupt keine US-Bürger mehr einreisen dürfen, weil das Virus dann dort am stärksten grassiert.

Wirklich gefährlich werden die nationalen Alleingäng­e, wenn sie die medizinisc­he Versorgung gefährden. Der deutsche Exportstop­p für Masken und Schutzklei­dung ist ein Skandal, der gescheiter­te Versuch der TrumpRegie­rung, sich mit viel Geld von einer deutschen Pharmafirm­a die Exklusivre­chte für eine Impfung zu erkaufen, eine Groteske. Die einzige Chance, das Virus zu besiegen, bietet die intensive Zusammenar­beit bei Forschung, Entwicklun­g, Zulassung und Produktion all jener Mittel, die dank der Wissenscha­ft zur Verfügung stehen.

Spätestens seit der vergangene­n Woche ist klar: Das Virus bedroht die ganze Welt, kein Land ist ausgenomme­n. Die Corona-Krise ist eine Chance zu zeigen, dass Nationalst­aaten zusammenfi­nden können, wenn es ernst wird. Das könnte auch zum Vorbild für den Kampf gegen den Klimawande­l werden. Scheitert das, ist es um die Zukunft der Menschheit schlecht bestellt.

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