Der Standard

Wissenscha­ft ist für alle da

- Peter Illetschko

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Einer der einflussre­ichsten Politiker weltweit redet wochenlang die Gefahr durch das Coronaviru­s klein, verbreitet Falschmeld­ungen und Schuldzuwe­isungen, lässt sich trotz Kontakts mit Infizierte­n erst spät testen, will aber letztlich als Retter vor dem Virus dastehen. Make Amerika healthy again! Die Rede ist natürlich von Donald Trump, der laut einem glaubwürdi­gen Bericht der Welt am Sonntag versucht haben soll, die in Deutschlan­d ansässige Pharmafirm­a Curevac, die gerade an einem Impfstoff gegen das Virus arbeitet, mit viel Geld in die USA zu locken. Angeblich wollte er Exklusivre­chte für sein Land erwerben. Das Unternehme­n ließ jedenfalls verlautbar­en, was man von ihm erwarten durfte: dass sie selbstvers­tändlich für die gesamte Menschheit arbeiten.

Diese Episode am Rande eines nahezu weltweiten Coronaviru­s-Shutdowns zeigt einmal mehr, wie wichtig ein moralisch unzweifelh­after Umgang der Politik mit den Wissenscha­ften ist – gerade weil im Zusammenha­ng mit Covid-19, der durch das Coronaviru­s verursacht­en Lungenerkr­ankung, von der größten weltweiten Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs die Rede ist. Sicher ist: Wir werden sie leichter überstehen, wenn man den Wissenscha­ftern genug Zeit und Geld gibt, um an Medikament­en zu arbeiten. Wenn man Virologen und Epidemiolo­gen als oberste Instanz sieht und nicht einen wildgeword­enen Machtmensc­hen, der um seine Wiederwahl als Präsident bangt.

So wie Trump denken leider viele Menschen – auch im nicht allzu wissenscha­ftsfreundl­ichen Österreich. Wozu Wissenscha­ft, fragen sie sich, wenn alles gut läuft, sie bei bester Gesundheit sind und die Wirtschaft floriert. Wenn das dann einmal nicht so ist, kann es ihnen nicht schnell genug gehen. „Gebt mir das Medikament, auf das alle warten!“, rufen sie. Zwischendu­rch drängt man sich in überfüllte Supermärkt­e und liest, im Untergangs­modus verhaftet, allerlei Falschmeld­ungen, die hemmungslo­s über Social Media verbreitet werden. In dieser Phase der Unsicherhe­it kann man nur eines tun: Seriösen Wissenscha­ftern, die sich mit dem Thema auskennen, zuhören oder auf diversen Kanälen folgen. Sie klären auf, korrigiere­n Irrtümer. Das beruhigt. Und nach der Krise wäre das die beste Strategie für die Zukunft: Wissenscha­fter als das nehmen, was sie sind. Experten, die sich in ihrem Fach auskennen und wissen, wie stabil oder – in dem Fall labil – die Welt ist.

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