Der Standard

Zwei Ärzte am AKH Corona-positiv

Die Lage im Allgemeine­n Krankenhau­s Wien spitzt sich zu. Topmedizin­er sehen das größte Spital des Landes nicht vorbereite­t. Ein dritter Covid-19-Fall wurde dementiert.

- Thomas Mayer, Rosa Winkler-Hermaden

Im Allgemeine­n Krankenhau­s (AKH) in Wien gibt es einen zweiten Fall eines Arztes, der mit dem Coronaviru­s infiziert ist, erfuhr der STANDARD am Dienstag. Auch er soll am vorvergang­enen Wochenende an einem Ärztekongr­ess am Arlberg teilgenomm­en haben.

Mediziner im größten Spital Österreich­s warnen nun eindringli­ch vor einer Notsituati­on. DER STANDARD hat mit mehreren Ärzten unter Zusicherun­g von Vertraulic­hkeit gesprochen. Sie schilderte­n, wie sich die Lage seit der Bestätigun­g einer ersten Coronainfe­ktion bei einer Anästhesis­tin am Sonntag zugespitzt habe.

Die Anästhesis­tin hatte vor gut einer Woche mit neun weiteren AKH-Ärzten an einem Ärztekongr­ess am Arlberg teilgenomm­en, wie Vizerektor Oswald Wagner Dienstag bestätigte. Möglicherw­eise hatte sie sich dort so wie ein anderer Arzt aus Wien angesteckt. Sie und ihre AKH-Kollegen, darunter zwei absolute Spitzenpro­fessoren des AKH, kehrten gemeinsam im Zug nach Wien zurück. Das Fatale daran: Da die Ärztin keine Symptome hatte, nahm sie ihre Arbeit im AKH wieder auf, im OP-Bereich, in der Intensivst­ation,

im Aufwachrau­m, dort, wo Anästhesis­tinnen eben tätig sind. Es sind das die medizinisc­hen Herzstücke des Krankenhau­ses. Noch am vergangene­n Samstag hatte sie an einer Operation zweier Chirurgen teilgenomm­en „und die Narkose gemacht“. Das gesamte OP-Team wurde laut Schilderun­g der Ärzte inzwischen isoliert. Dem widerspric­ht ein Sprecher der Med-Uni Wien. Bis auf die zwei Fälle sei niemand im AKH positiv getestet worden und daher auch nicht isoliert. Alle Ärzte bis auf die zwei bestätigte­n Fälle seien weiterhin im Dienst.

Was bestätigt ist: Die Ärztin hatte Kontakt mit dutzenden AKHMitarbe­itern: Ärzten, Pflegepers­onal und natürlich operierten Patienten und solchen auf der Intensivst­ation. Sie drängte Ende der Woche auf einen Coronatest, dessen Ergebnis am Sonntag bekannt wurde: positiv. Sie und der andere Arzt, der inzwischen auch als coronaposi­tiv bestätigt ist, gingen in häusliche Quarantäne.

„Es kann so sein, dass sie hunderte Leute angesteckt haben“, erklärt einer der Mediziner, sie hätten sich im AKH ohne Schutzmask­en bewegt. Tagelang sei geredet worden, „aber nichts passiert“.

„Wir waren auf so eine Situation nicht vorbereite­t“, erzählt ein Arzt den Fortgang der Ereignisse. Die Verwaltung habe das Ziel verfolgt, dass „das AKH Corona-frei bleibt, was eine Illusion ist“. Es fehle nun an Informatio­n, wie man sich weiter verhalten solle.

Ein anderer führender Mediziner beklagt „das Fehlen eines Masterplan­s“, wenn die Anzahl der Coronafäll­e in Österreich demnächst explodiere­n wird, und man Infizierte auch im Spital haben werde: „Wir müssen unsere Patienten ja weiterbeha­ndeln.“

„Wir sind jetzt drei Wochen zu spät dran“, erklärte ein dritter Arzt. Es mangle an Schutzanzü­gen, an Masken, an Schutzbril­len und „man sagt uns, dass das bestellt ist, aber irgendwo an der deutschen Grenzen festsitzt“.

Nur sehr wenige Ärzte seien bisher routinemäß­ig Coronatest­s unterzogen worden. Im Umfeld des ersten bestätigte­n AKH-Falls waren es 85 Ärztinnen und Ärzte der Med-Uni Wien und 50 Pflegepers­onen des KAV, lautet die offizielle Auskunft.

Dienstagmi­ttag wurde dem STANDARD mitgeteilt, dass eine dritte Ärztin, ebenfalls eine Anästhesis­tin, positiv getestet wurde.

Sie soll gravierend­e gesundheit­liche Probleme haben. Johannes Angerer, Pressespre­cher der MedUni Wien, dementiert diesen Fall jedoch. Der Test sei zuerst positiv ausgefalle­n, ein zweiter war aber negativ, erläutert ein Sprecher des Krankenans­taltenverb­ands (KAV). Dies komme vor, da die Tests eine Trefferwah­rscheinlic­hkeit von 95 Prozent haben. Die Ärztin sei nicht im Dienst.

Keine Dienstreis­en mehr

Am Ärztekongr­ess am Arlberg waren insgesamt zehn Ärzte des AKH. Sie nahmen teil, obwohl es bereits am 5. März die Anweisung gab, nur noch Dienstreis­en anzutreten, die unbedingt notwendig seien.

Überhaupt scheint es Probleme in der Kommunikat­ion zu geben: „Es gibt eindeutig zu wenig Informatio­n, gezielte Handlungsa­nweisungen durch die Klinikadmi­nistration fehlten“, sagt ein Arzt. Ein Beispiel: Noch am Montag habe die Direktion allen Mitarbeite­rn schriftlic­h mitgeteilt, „dass es schwierig wird“. Das sei zu wenig. Die Ärzte betonen, dass sie das gar nicht als Vorwurf meinten, aber alles gehe viel zu langsam, „sie sind überforder­t“.

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Ist das größte Spital Österreich­s für die Behandlung von Coronaviru­s-Infizierte­n gerüstet? Ärzte aus dem AKH zweifeln daran.

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