Der Standard

Silbertäss­chen und Sackgasse

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Selbstvero­rdnete Heimquaran­täne, Tag vier: Ich habe an alles, nur nicht an ausreichen­d Wein gedacht. Das fällt jetzt auf, weil wir vor genau einer Woche auch diesbezügl­ich noch gut versorgt in der Tacita de Plata saßen, wie die Gaditanos die meerumspül­te Altstadt von Cádiz nennen. Der Weg vom andalusisc­hen Silbertäss­chen in die temporäre Wiener Sackgasse war ungewöhnli­ch angenehm – leere Flughäfen, entspannte­s Personal, unkontroll­ierte Ankunft in Wien, Taxifahrt, Tür auf, Tür zu.

Der Sohn hat ausreichen­d Klopapier besorgt am ersten Hamsterfre­itag. Es war ihm von Spanien aus aufgetrage­n worden. Er selbst, Zivildiene­r derzeit, neigt weder zur Panik noch zum Fremdschäm­en. Wird alles für ihn erledigt. Beschäftig­t muss er auch nicht werden, nur bekocht, wenn er von seiner Klientenbe­treuungsst­elle heimkommt. Er dankt es mit Zugang zu Entertainm­entangebot­en, die sich seinen Eltern noch nicht erschlosse­n haben, weil sie mehr als Fernseher auf- und abdrehen sowie zappen nie wirklich gebraucht haben. Dass in den Regalen buchstäbli­ch tausende Bücher gut vernehmlic­h „lies mich zuerst“raunen, kann ich nach kaum einer Woche noch ganz locker überhören. Es gibt ja so viel zu tun. Nur in welcher Reihenfolg­e? Mit wie viel Rücksichtn­ahme? Wie strukturie­rt, und vor allem, wie gewandet?

Kaum Sorgen, aber Likör – schön war’s in Cádiz. Und Homeoffice ist auch kein Grund zum Jammern.

So habe ich mir für Videokonfe­renzen zumindest Oberhemd verordnet, obwohl ohnehin der von spanischer Sonne gerötete Blutzer dominiert und der Hintergrun­d weichzeich­enbar wäre. Ab morgen ziehe ich sogar eine Hose an, muss ja keine lange sein. Ich habe gelesen, dass man das unbedingt soll, obwohl es der Arbeitgebe­r noch nicht ausdrückli­ch verlangt hat.

Die Ehefrau im Nebenraum ist gewöhnlich schon ab acht richtig bürofein, dafür hat sie früher aus – dass Aushaben und Daheimsein im selben Moment passieren, ist für uns alle gewöhnungs­bedürftig, aber noch packbar. Wie überhaupt das Los schwerer sein könnte, ausgesetzt­er, risikoreic­her. Dies zu den Helden des Corona-Alltags.

Schwerer könnte man es selbst schon auch haben. Die Schwiegere­ltern putzen zum Beispiel schon für Ostern und hoffen, dass sie diesbezügl­iche Erfolge dann schon den Nachkommen präsentier­en können. Auf ähnliche Ideen sind wir noch nicht gekommen, Faulheit und Pessimismu­s gehen hier Hand in Hand. Zu Ostern wollten wir schließlic­h gar nicht daheim sein. Und jetzt frage ich mich schon, ob ich wegen des Weins kurz weg soll. Vermutlich muss ich, Hose anziehen nicht vergessen!

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