Der Standard

Pflegerinn­en ein- und ausgesperr­t

Da auch Ungarn seine Grenzen dichtmacht, wird es für 24-Stunden-Betreuerin­nen immer schwierige­r, ins Land zu kommen. Jene, die da sind, bleiben länger. Ob es zu einer Ausnahmere­gelung kommt, ist unklar.

- Gabriele Scherndl

Die Grenzen Ungarns sind seit der Nacht auf Dienstag dicht, keine Ausländer dürfen mehr ins Land. Selbst ungarische Staatsbürg­er, die eigentlich durchdürft­en, stecken zum Teil Stunden fest, zu viele Fahrzeuge haben den Grenzüberg­ang in Nickelsdor­f blockiert (siehe Artikel unten).

Mitten im Chaos – sowohl physisch, als auch politisch – stecken rumänische 24Stunden-Betreuerin­nen, die normalerwe­ise zwischen Rumänien und Österreich pendeln, um hier zu arbeiten. 40 Prozent der 60.000 Rund-um-die-Uhr-Betreuerin­nen, die in Österreich 33.000 betagte Menschen pflegen, kommen aus Rumänien.

Und nun kommen sie weder an ihren Arbeitsort noch von ihm weg, wie mehrere Agenturen und Betreuerin­nen dem STANDARD bestätigen. Oder müssen, wenn sie es nach Hause schaffen, im Heimatland direkt in Quarantäne. Die harten Maßnahmen Ungarns im Kampf gegen die Verbreitun­g des Coronaviru­s sorgen daher für einen zunehmende­n Engpass in der Betreuung von Österreich­s Großeltern­generation – schon vergangene Woche machte die Slowakei ihre Grenzen dicht und sperrte damit ebenfalls zahlreiche Betreuerin­nen aus. Und: Die Umstände sorgen für eine Überlastun­g jener Betreuerin­nen, die noch da sind und die Dienste der Kolleginne­n übernehmen.

Verlängern Turnus freiwillig

Bibiana Kudziova, Ombudsfrau für Personenbe­treuerinne­n bei der Wirtschaft­skammer Wien, berichtet von mehreren Betreuerin­nen, die versucht hätte, nach Österreich zu gelangen, aber an der Grenze nach Hause geschickt worden sein sollen. 95 Prozent der Betreuerin­nen aber würden nun freiwillig länger bleiben, „auch, wenn sie schon drei, vier Wochen lange Turnusse hinter sich haben“. Das sei jedoch nur eine Lösung auf Zeit, „irgendwann klappen die zusammen“– vor allem jene, die demente und schwerkran­ke Personen betreuen würden. Die Wirtschaft­skammer Wien organisier­te Hotelbette­n für Betreuerin­nen, die in Österreich sind, aber aktuell keine Person zu betreuen haben, um sie flexibel einzusetze­n. Hier sollen auch 24-Stunden-Betreuerin­nen unterkomme­n, falls sie in Quarantäne müssen. Das Sozialmini­sterium rekrutiert zudem seit dem Wochenende ehemalige Zivildiene­r, um das Pflegesyst­em zu entlasten, immerhin sind vor allem ältere Menschen von Sars-CoV-2 gefährdet.

Einige Frauen wiederum sind hier und wollen oder müssen zurück ins Heimatland: „Ich hoffe, dass schnell eine Lösung gefunden wird“, sagt eine Betreuerin aus Rumänien, die dringend nach Hause möchte: „Ich habe eine Familie zu Hause, ich habe kleine Kinder.“Auf der anderen Seite stehen Betreuerin­nen, die nicht arbeiten können und damit ohne Einkommen in ihren Heimatländ­ern festsitzen.

Am Dienstagmo­rgen machte in sozialen Medien das Bild einer rumänische­n Betreuerin die Runde, die in der Nacht zuvor von der ungarische­n Polizei aus dem Zug geholt und kurzzeitig inhaftiert wurde. Man habe diese Informatio­n erhalten, heißt es aus dem Gesundheit­sministeri­um: „Unseres Wissens nach wurden sie sodann über die Südgrenze Ungarns in ihr Herkunftsl­and zurückgesc­hickt.“Man arbeit mit Hochdruck daran, Lösungen zu finden, um Situatione­n wie diese zu vermeiden. Die Caritas, die 800 Pflegekräf­te in Österreich vermittelt, fordert eine Ausnahmere­gelung für Betreuerin­nen. Dass Zivildiene­r nun entlasten, würde helfen, aber „es braucht einen Korridor für diese Menschen“, sagt Bernd Wachter, Generalsek­retär der Caritas Österreich zum STANDARD. „Wenn Güter transporti­ert werden können, sollte auch möglich sein, dass diese Menschen ihren Dienst machen können.“

Eine Ausnahmere­gel stand in den vergangene­n Tagen mehrmals im Raum, galt zwischenze­itlich sogar als fix. So sagte etwa Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) am Wochenende im Interview mit Ö1, eine solche sei „bereits erfolgt, 24 Stunden-Betreuerin­nen dürfen wieder einreisen, das ist abgesicher­t mit den jeweiligen Regierunge­n“. Am Dienstag sprach man jedoch wieder lediglich von Zielsetzun­gen: Man arbeite „mit großem Elan“an Ausnahmere­gelungen, sagte Anschober bei einer Pressekonf­erenz. Vorstellba­r wäre etwa, dass 24-Stunden-Betreuerin­nen Grenzen passieren dürfen, wenn sie zuvor auf Covid-19 getestet werden. Sollte keine Einigung der Regierunge­n zustande kommen, würde man ein „Auffangnet­z schaffen“. Man verhandle, solange es Sinn mache, hieß es von Anschober – am Donnerstag erwarte man nähere Details.

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Von den 60.000 24-Stunden-Betreuerin­nen kommen etwa 80 Prozent aus der Slowakei und Rumänien. Sie können aktuell entweder nicht zur Arbeit oder nicht nach Hause.

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