Chaos und Ungewissheiten an der Grenze zu Ungarn
Ein Megastau in Nickelsdorf, die Grenzpendler sind verunsichert, die Ungarn verärgert über dreiste Tiroler Hoteliers
Die Situation an der Grenze zu Ungarn hat sich am Dienstag dramatisch zugespitzt. Ungarn hat ja um Mitternacht die Grenze für Nichtungarn geschlossen. Selbst Transitreisende, Rumänen in der Hauptsache, wurden zurückgewiesen. Der Stau am Autobahngrenzübergang Nickelsdorf reichte schon am Nachmittag 30 Kilometer zurück, das Rote Kreuz musste zur Notversorgung ausrücken. In der Nacht sollte auch für Bulgaren und Rumänen die Grenze für fünf Stunden geöffnet werden, kündigte die burgenländische Polizei an.
Die dramatische Situation beeinträchtige klarerweise auch das wirtschaftliche Leben, nicht nur, aber hauptsächlich im Burgenland, wo ein Fünftel der Arbeitskräfte, 20.000 Menschen, Ungarn sind. Unklar war nämlich, ob sie wie bisher pendeln können. Der Sprecher der Wirtschaftskammer erzählt, dass am Dienstag auffällig viele Krankmeldungen eingegangen sind. Manche kleine Betriebe hatten schon am Montag händeringend Ersatz für fehlende ungarische Mitarbeiter gesucht. Bäcker, Fleischer, aber auch der Einzelhandel waren betroffen. Die Seewinkler Gemüsebauern fürchten um die Frühernte. LGV Sonnengemüse, die Vertriebsgenossenschaft, sucht dringend Ersatz für die ungarischen und slowakischen Erntehelfer.
Besonders betroffen ist allerdings auch das Gesundheitswesen. Die burgenländische Krankenanstalten GmbH (Krages) hat schon vor Tagen angeboten, ihren ungarischen Mitarbeitern nötigenfalls Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Vor allem ungarische Ärzte würden fehlen. Im Krankenhaus Güssing sind etwa mehr als 20 Prozent der Ärzte Grenzpendler, in Oberwart 15, in Oberpullendorf – dem Corona-Behandlungszentrum des Burgenlandes – elf Prozent. Auch ein Pflegeheim in Kittsee hat ihren slowakischen Pendlern Wohnraum zur Verfügung stellen müssen. Denn auch die Slowakei war zu.
Unschuldig an den rigorosen Grenzsperren ist Österreich freilich nicht. Denn das Tiroler Versagen zieht Kreise bis ins Ungarische. Nicht nur Gäste sind ja von den Hotels in den Quarantänegebieten überhastet an die Luft gesetzt worden. Auch Bedienstete hatten schleunigst zu gehen. Ein ungarischer Hotelangestellter erzählte dem STANDARD: „Der Chef hat uns zusammengerufen und gesagt, wir haben eine Stunde zum Packen. Dann müssen wir verschwinden.“Fristlos hinausgeworfen. Und ohne die ungarischen Behörden vorzuwarnen.
Der burgenländische ÖGB bietet seit jeher auch ungarischsprachige Beratung an. Seit Freitag herrscht dort Hochbetrieb; nunmehr klarerweise per Mail: magyar@ oegb.at. Die ÖGB-Sprecherin: „Die Leute haben einen befristeten Saisonvertrag. Also keine Kündigungsfrist. Und als ungarische Hauptwohnsitzer keinen Anspruch auf Arbeitslose.“(wei)