A1 liefert Regierung Bewegungsströme von Nutzern
Smartphone-Daten sollen zeigen, ob sich Handynutzer an die Ausgangsbeschränkungen halten. Die Daten sind zwar anonymisiert, Experten bemängeln dennoch fehlende rechtliche Grundlagen. Auch die Opposition ist kritisch.
Wer das Smartphone mitnimmt, hinterlässt eine Spur: Unter anderem über die Mobilfunkverbindung ist es möglich, den Standort eines Nutzers nachzuverfolgen. Diese Daten bereitet die teilstaatliche A1 nun für die Regierung auf, um Bewegungsprofile aller Handynutzer österreichweit zu erstellen. Verglichen wurden dabei aktuelle Daten mit Bewegungsströmen vor dem Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkung im Zuge der Covid19-Maßnahmen. Die Daten sollen dem Krisenstab zeigen, wie und ob die sozialen Kontakte, die als Schutz vor der Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden sollen, abnahmen oder nicht.
A1-Sprecher Michael Höfler bestätigte dem STANDARD, dass sein Unternehmen die Bewegungsprofile sammelt, auswertet und der Regierung liefert. Er betont dabei, dass diese Profile anonymisiert weitergegeben werden, also nicht mit Kundendaten verknüpft werden, und auch nicht einzelne Personen, sondern nur Gruppen ab 20 Menschen getrackt werden. Die Bewegungsanalysen werden gemeinsam mit Invenium, einem Spin-off der TU Graz, angefertigt. Rechtlich sieht man bei A1 keine Probleme, die Methode gehe mit den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) konform. Auch wird betont, dass die Weitergabe der Profile helfen soll, die „Pandemie einzudämmen“.
Gibt es eine rechtliche Grundlage?
Rechtlich ist das Vorgehen allerdings fragwürdig. Laut dem Datenschutzrechtler Christof Tschohl vom Research Institute – Digital Human Rights Center gebe es für den Zugriff auf historische Daten keine Rechtsgrundlage. Diese „müsste man schon konstruieren“. Vorstellbar sei, dass mit extremen Begrenzungen nach Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung eine kurzfristige Anonymisierung erfolge. „Das heißt, dass aus dem Livesystem des Anbieters gleichzeitig mit der Löschung oder Anonymisierung von Daten nach Ende der Verbindung Informationen ‚herausgezogen‘ werden, die tatsächlich anonymisiert sind.“
Aber: Eine echte Unkenntlichmachung sei vor allem bei Bewegungsdaten eine riesige Herausforderung, wie sich bei sorgfältigen Datenschutzfolgenabschätzungen immer zeige. „Hier geht es aber offenbar um den Zugriff auf vorliegende, historische Standortdaten.“Weder aus dem Telekomgesetz noch aus dem Epidemiegesetz ließe sich eine solche Vorgehensweise ableiten.
„Aus menschlicher Sicht kann man das schon verstehen. Aber: Der Rechtsstaat verlangt sonst aus guten Gründen Präzision, der Verfassungsgerichtshof zeigt ja, dass das auch streng eingehalten wird“, sagt Tschohl im STANDARD-Gespräch. „Dass das über Bord geworfen wird, da es schnell gehen muss, finde ich schwer problematisch.“ Aus Tschohls Sicht brauche es für Österreich eine Sondermaßnahme, falls eine erweiterte Standortüberwachung vorgesehen sein sollte. „Als Grundrechtler bestehe ich darauf, nur für diesen Anlassfall eine Regelung zu schaffen – die dann aber auch mit einer Klausel außer Kraft tritt.“
Opposition mit deutlicher Kritik
Die Neos reagierten unterdessen entsetzt und kündigten mehrere parlamentarische Anfragen zu der Rechtmäßigkeit des Vorgehens an. Auch SPÖ und FPÖ verorten einen Eingriff in die Grundrechte.
Österreich ist nicht das erste Land, das auf diese Weise agiert: Weltweit versuchen Regierungen, mit restriktiven Maßnahmen die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. In China haben Techkonzerne wie Alibaba und Tencent Handyapps auf den Markt gebracht, die die Bewegungen von Reisenden bis zu einem Monat zurückverfolgen können. Die Benutzer werden als grün, gelb oder rot eingestuft, je nachdem, wie nahe sie einer Hochrisikozone kamen. Damit ist China aber längst nicht allein:
Das israelische Kabinett hat am Dienstagmorgen die Überwachung von Infizierten und Verdachtsfällen beschlossen. Dabei setzt man auf Technologien, die normalerweise gegen Terroristen zum Einsatz kommen.
Nutzer, die sich in der Nähe von Infizierten befunden haben, werden künftig notifiziert. Demnach ist eine Massenüberwachung via Geotracking vorgesehen.
Auch in Italien und Belgien wird aktuell über ähnliche Maßnahmen diskutiert. In Südkorea nutzt die Regierung nebst Smartphone-Tracking auch Daten wie Kreditkartentransaktionen von Infizierten und Aufnahmen von Überwachungskameras. Nutzer können dann sehen, wo sich Personen mit dem Virus aufgehalten haben.