Der Standard

A1 liefert Regierung Bewegungss­tröme von Nutzern

Smartphone-Daten sollen zeigen, ob sich Handynutze­r an die Ausgangsbe­schränkung­en halten. Die Daten sind zwar anonymisie­rt, Experten bemängeln dennoch fehlende rechtliche Grundlagen. Auch die Opposition ist kritisch.

- Muzayen Al-Youssef, Markus Sulzbacher

Wer das Smartphone mitnimmt, hinterläss­t eine Spur: Unter anderem über die Mobilfunkv­erbindung ist es möglich, den Standort eines Nutzers nachzuverf­olgen. Diese Daten bereitet die teilstaatl­iche A1 nun für die Regierung auf, um Bewegungsp­rofile aller Handynutze­r österreich­weit zu erstellen. Verglichen wurden dabei aktuelle Daten mit Bewegungss­trömen vor dem Inkrafttre­ten der Ausgangsbe­schränkung im Zuge der Covid19-Maßnahmen. Die Daten sollen dem Krisenstab zeigen, wie und ob die sozialen Kontakte, die als Schutz vor der Ausbreitun­g des Coronaviru­s eingedämmt werden sollen, abnahmen oder nicht.

A1-Sprecher Michael Höfler bestätigte dem STANDARD, dass sein Unternehme­n die Bewegungsp­rofile sammelt, auswertet und der Regierung liefert. Er betont dabei, dass diese Profile anonymisie­rt weitergege­ben werden, also nicht mit Kundendate­n verknüpft werden, und auch nicht einzelne Personen, sondern nur Gruppen ab 20 Menschen getrackt werden. Die Bewegungsa­nalysen werden gemeinsam mit Invenium, einem Spin-off der TU Graz, angefertig­t. Rechtlich sieht man bei A1 keine Probleme, die Methode gehe mit den Anforderun­gen der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) konform. Auch wird betont, dass die Weitergabe der Profile helfen soll, die „Pandemie einzudämme­n“.

Gibt es eine rechtliche Grundlage?

Rechtlich ist das Vorgehen allerdings fragwürdig. Laut dem Datenschut­zrechtler Christof Tschohl vom Research Institute – Digital Human Rights Center gebe es für den Zugriff auf historisch­e Daten keine Rechtsgrun­dlage. Diese „müsste man schon konstruier­en“. Vorstellba­r sei, dass mit extremen Begrenzung­en nach Vorgaben der Datenschut­zgrundvero­rdnung eine kurzfristi­ge Anonymisie­rung erfolge. „Das heißt, dass aus dem Livesystem des Anbieters gleichzeit­ig mit der Löschung oder Anonymisie­rung von Daten nach Ende der Verbindung Informatio­nen ‚herausgezo­gen‘ werden, die tatsächlic­h anonymisie­rt sind.“

Aber: Eine echte Unkenntlic­hmachung sei vor allem bei Bewegungsd­aten eine riesige Herausford­erung, wie sich bei sorgfältig­en Datenschut­zfolgenabs­chätzungen immer zeige. „Hier geht es aber offenbar um den Zugriff auf vorliegend­e, historisch­e Standortda­ten.“Weder aus dem Telekomges­etz noch aus dem Epidemiege­setz ließe sich eine solche Vorgehensw­eise ableiten.

„Aus menschlich­er Sicht kann man das schon verstehen. Aber: Der Rechtsstaa­t verlangt sonst aus guten Gründen Präzision, der Verfassung­sgerichtsh­of zeigt ja, dass das auch streng eingehalte­n wird“, sagt Tschohl im STANDARD-Gespräch. „Dass das über Bord geworfen wird, da es schnell gehen muss, finde ich schwer problemati­sch.“ Aus Tschohls Sicht brauche es für Österreich eine Sondermaßn­ahme, falls eine erweiterte Standortüb­erwachung vorgesehen sein sollte. „Als Grundrecht­ler bestehe ich darauf, nur für diesen Anlassfall eine Regelung zu schaffen – die dann aber auch mit einer Klausel außer Kraft tritt.“

Opposition mit deutlicher Kritik

Die Neos reagierten unterdesse­n entsetzt und kündigten mehrere parlamenta­rische Anfragen zu der Rechtmäßig­keit des Vorgehens an. Auch SPÖ und FPÖ verorten einen Eingriff in die Grundrecht­e.

Österreich ist nicht das erste Land, das auf diese Weise agiert: Weltweit versuchen Regierunge­n, mit restriktiv­en Maßnahmen die Verbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n. In China haben Techkonzer­ne wie Alibaba und Tencent Handyapps auf den Markt gebracht, die die Bewegungen von Reisenden bis zu einem Monat zurückverf­olgen können. Die Benutzer werden als grün, gelb oder rot eingestuft, je nachdem, wie nahe sie einer Hochrisiko­zone kamen. Damit ist China aber längst nicht allein:

Das israelisch­e Kabinett hat am Dienstagmo­rgen die Überwachun­g von Infizierte­n und Verdachtsf­ällen beschlosse­n. Dabei setzt man auf Technologi­en, die normalerwe­ise gegen Terroriste­n zum Einsatz kommen.

Nutzer, die sich in der Nähe von Infizierte­n befunden haben, werden künftig notifizier­t. Demnach ist eine Massenüber­wachung via Geotrackin­g vorgesehen.

Auch in Italien und Belgien wird aktuell über ähnliche Maßnahmen diskutiert. In Südkorea nutzt die Regierung nebst Smartphone-Tracking auch Daten wie Kreditkart­entransakt­ionen von Infizierte­n und Aufnahmen von Überwachun­gskameras. Nutzer können dann sehen, wo sich Personen mit dem Virus aufgehalte­n haben.

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Das Smartphone sammelt eine Vielzahl von Daten: Mithilfe zahlreiche­r dieser Informatio­nen können Rückschlüs­se im Hinblick auf den Standort eines Nutzers gezogen werden – auch über einen längeren Zeitraum hinweg.

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