Autobranche legt Vollbremsung hin
Die großen Autobauer und Flugzeughersteller fahren ihre Produktion zurück oder stellen sie vorübergehend ganz ein. Die österreichischen Zulieferunternehmen stellt der Shutdown auf eine harte Probe.
Plötzlich geht es Schlag auf Schlag. Volkswagen stoppt angesichts der sich zuspitzenden Corona-Krise als erster Konzern in Deutschland seine Bänder weitgehend. „Angesichts der sich aktuell deutlich verschlechternden Absatzlage und der sich abzeichnenden Unsicherheit bei der Teilversorgung unserer Werke wird es an den Standorten unserer Marken unmittelbar auch zu Produktionsunterbrechungen kommen“, sagte VW-Chef Herbert Diess am Dienstag.
Zwei bis drei Wochen soll die Produktionsunterbrechung dauern. Davon geht der Konzern aus. Derzeit. Dafür laufe die Fertigung in China wieder an. Auch die beiden Audi-Standorte in Ingolstadt und Neckarsulm werden bis Ende der Woche „runtergefahren“. Opel folgt auf Geheiß der französischen Mutter PSA im deutschen Stammwerk Rüsselsheim, ebenso in Eisenach und Kaiserslautern.
Hört man sich bei heimischen Autozulieferern um, bekommt man Informationen mit Ablaufdatum. Stand heute wird bei Opel in Aspern die Getriebeproduktion bis Ende der Woche regulär laufen. Dann ist eine Woche Produktionspause geplant. Wie sicher ist das? Falsche Frage in Zeiten wie diesen. Fast stündlich ändere sich die Lage, sagt Wolfgang Chmelir, Sprecher des heimischen Automobilzulieferers Miba. Zumindest Dienstagvormittag habe es noch keine Stornierungen von Kundenaufträgen gegeben. Auch die SupplyChain funktioniere nach wie vor. Fast schon eine komfortable Lage in der Branche.
Das Coronavirus ist der Zündfunken in einer ohnehin explosiven Situation. Ein neues Auto steht bei Konsumenten derzeit nicht zuoberst auf der Wunschliste. Die Pkw-Neuzulassungen sind im Jänner deutlich geschrumpft. Der wirtschaftliche Abschwung dürfte weiter bremsen – und das nach einem aufregenden Jahr mit Technologiediskussionen, Fahrverboten, Brexit und Klimadebatte.
Aufträge brechen weg
„Hersteller canceln plötzlich ganze Modellreihen von heute auf morgen“, sagte Markus Huemer, Vorstandschef beim Linzer Autozulieferer Polytec, schon vor der Corona-bedingten Zuspitzung der Lage. Längerfristige Planung sei kaum möglich: „Wir haben Aufträge erhalten, die eine Woche später wieder weg sind, weil sie doch nicht realisiert werden. So läuft es momentan.“Der CoronaShutdown war da noch nicht eingerechnet.
Der trifft die Branche nun mit voller Wucht. Viele der rund 85.000 Mitarbeiter in der heimischen Zuliefererbranche dürfen bald gezwungenermaßen eine ruhige Kugel schieben. Voestalpine prüft gerade, welche Werke geschlossen werden müssen. Bei Magna Steyr stehen die Bänder ab sofort für zwei Wochen still. Der Messtechnikhersteller Anton Paar aus Graz hat schon am Montag seine Produktion eingestellt, Warenlieferungen seien aber weiterhin möglich.
Die Grazer AVL blickt indes in die Zukunft. Komplett zum Erliegen komme die Arbeit nicht. Immerhin laufe in China die Autoindustrie gerade wieder an. Auch Polytec-Chef Huemer hat eher die Zukunft im Blick. Sollte die Situation mehrere Wochen andauern, würde dies mit Sicherheit eine massive Belastung der Wirtschaft bedeuten. Huemer will aus der Krise gestärkt hervorgehen. „Es ist davon auszugehen, dass sich hieraus im Anschluss Konsolidierungsmöglichkeiten entwickeln.“
Boeing will Staatshilfe
Was sich in der Autobranche abspielt, findet seine Entsprechung im Flugzeugbau. Für manche der heimischen Zulieferer doppelt bitter. Einige Hundert Betriebe mit 8000 Beschäftigten beliefern die bemannte Luftfahrt, nicht wenige davon auch die Autoindustrie wie etwa Miba. Auch die Luftfahrtzulieferer hatten im Vorjahr beispielsweise mit der Einstellung der Airbus-A380-Produktion zu kämpfen. Das hat der Innviertler FACC eine Gewinnwarnung eingebrockt. Die aktuell kritische Situation versucht man unter anderem durch Kurzarbeit zu durchtauchen. Die Probleme von Boeing mit dem Krisenjet 737 Max sind. Voestalpine in Kapfenberg hatte unter Stornierungen zu leiden. Dazu kommt jetzt die CoronaKrise.
Beim europäischen Flugzeugbauer Airbus kommt die Produktion ins Stocken. Um die Auflagen der Behörden in Frankreich und Spanien zum Schutz vor Ansteckungen zu erfüllen, hält der Boeing-Konkurrent dort für vier Tage die Produktion an. In Deutschland und Großbritannien kann Airbus noch für einige Tage wie gewohnt weitermachen. Probleme sind auch dort wegen der europaweit vernetzten Produktion absehbar. Auch jenseits des Atlantiks liegen die Nerven blank: Boeing stellt sich auf einen Produktionsstopp ein und um Staatshilfen an.