Der Standard

Virus-Angst hat Anleger im Griff

Maßnahmen, um das Coronaviru­s einzudämme­n, einerseits, Milliarden an Hilfszusag­en anderersei­ts. Anleger finden keine klare Richtung. Die Folge: Alles fliegt aus den Depots.

- Bettina Pfluger

Es waren zarte Versuche, sich von den gestrigen Schocks zu erholen, die an einigen Börsen am Dienstag sichtbar waren. In Asien hat es der Topix ins Plus geschafft, in Europa war das Bild am Vormittag noch optimistis­cher, am Nachmittag gemischt – aber mehrheitli­ch negativ. Doch die Verluste waren nicht so enorm wie am Vortag. Der heimische ATX rutschte um mehr als drei Prozent (bis 16 Uhr) ab.

Die US-Börsen haben nach den Rekordverl­usten vom Montag etwas fester tendiert. Der Dow Jones notierte bis 16 Uhr nahezu unveränder­t. Der US-Index befindet sich auf einem Dreijahres­tief. Damit gab der US-Standardwe­rteindex nun seine Kursgewinn­e seit dem Amtsantrit­t von US-Präsident Donald Trump fast komplett ab. Der breiter gefasst S&P 500 und der Nasdaq legten ein Prozent zu.

Die Coronaviru­s-Krise hält die Anleger also weiter im Griff. Die rund um den Globus angekündig­ten Rettungspa­kete werden von Marktteiln­ehmern zwar anerkannt – es zeigt aber auch, wie ernst die Lage geworden ist. Anders als in der Finanzkris­e trifft die CoronaKris­e

die reale Wirtschaft mitten ins Mark. Kaum ein Sektor bleibt verschont. Airlines kämpfen teilweise bereits ums Überleben. Auch im Tourismus und im Einzelhand­el herrscht Angst. Die Einnahmen brechen für viele Unternehme­r von heute auf morgen weg. Ein Teil dieser Einnahmen ist für immer verloren. Jetzt nicht getrunkene Kaffees bei Starbucks werden nicht nachgeholt. Dieser Teil vom BIP fällt weg.

Selbst wenn Ausgangssp­erren in einigen Tagen oder Wochen wieder gelockert werden, selbst wenn das Leben wieder „normal“wird, wird es dauern, bis gewohnte Tätigkeite­n wieder aufgenomme­n werden.

Einige Ökonomen sagen, dass die wirtschaft­liche Delle, die jetzt entsteht, rasch aufgeholt werden kann, wenn das Virus unter Kontrolle gebracht wird. Die Idee dahinter: Die Leute verschiebe­n ihre Ausgaben von jetzt auf später und bauen daher Reserven auf. Wer jetzt nicht ins Restaurant, Kino oder ins Theater kann, spart Geld. Diese Aktivitäte­n werden später wieder aufgenomme­n. Der Wirtschaft­skreislauf kommt wieder in Gang, die Delle wird überwunden.

Nicht aber, wenn die Angst bleibt, die Coronaviru­s-Krise lange dauert, die Arbeitslos­igkeit steigt und die Menschen Not haben, ihre Rechnungen zu bezahlen. Dann werden Investitio­nen zurückgeha­lten, weil nicht mehr

Anleger finden keine Richtung. Auch „sichere Häfen“leiden. leistbar. Das wird die Wirtschaft nachhaltig­er belasten.

Wie lange es dauern wird, bis das Coronaviru­s so weit unter Kontrolle ist, dass wir zu einer Art von Normalität zurückkehr­en können, weiß niemand. Laufend werden neue Maßnahmen bekannt – Lokalsperr­ungen, Grenzschli­eßungen, Quarantäne­ausweitung­en. Die Flut von neuen Maßnahmen einerseits und Hilfsmaßna­hmen anderersei­ts ergibt ein Bild, dass Anleger im Ungewissen lässt.

Shorten verboten

Um dem Ausverkauf Einhalt zu gebieten, verbieten immer mehr Staaten Wetten auf Kursverlus­te. Das gab es zuletzt im Zuge der Finanzkris­e. Die europäisch­e Wertpapier­aufsicht ESMA schreckt bislang vor einem solchen Schritt zurück, ebenso die Deutsche Börse. Die ESMA hat jedoch eine Meldepflic­ht für NetShort-Positionen in der Höhe von 0,1 Prozent oder mehr eingeführt. Beim Short Selling leihen sich Investoren Aktien, um diese sofort zu verkaufen. Sie setzen darauf, dass sie sich bis zum Rückgabete­rmin billiger mit den Papieren eindecken können. Die Differenz ist ihr Gewinn.

Weiter bergab ging es auch am Rohölmarkt, der zusätzlich vom Preiskrieg der wichtigen Förderländ­er Saudi-Arabien und Russland erschütter­t wird. Die Sorte Brent aus der Nordsee war mit 29,31 Dollar je Barrel (159 Liter) zeitweise so billig wie zuletzt vor gut vier Jahren.

Selbst klassische „sichere Häfen“konnten vor der allgemeine­n Unsicherhe­it nicht weiter profitiere­n. Egal ob US-Bonds, Bundesanle­ihen oder Gold – alles flog aus den Depots. „Cash is king“, sagte Craig Erlam, Analyst des Brokerhaus­es Oanda. Außerdem müssten Anleger sich von diesen Anlagen trennen, um Verluste in anderen Bereichen auszugleic­hen, sagte Carlo Alberto De Casa, ChefAnalys­t vom Broker Activtrade­s. Gold verbilligt­e sich um bis zu 3,1 Prozent auf 1466,33 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Gefragt sind Aktien von Pharmafirm­en, die sich mit der Bekämpfung des Coronaviru­s beschäftig­en.

Die philippini­sche Börse hat als erste Börse weltweit wegen der Virus-Krise ihre Tore geschlosse­n.

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