Der Standard

Filmschaff­ende werfen ORF Versagen vor

Das Coronaviru­s trifft die Film- und TV-Wirtschaft mit voller Härte. Der Dachverban­d der Filmschaff­enden kritisiert den ORF wegen mangelnder Kommunikat­ionsbereit­schaft. Dieser weist die Vorwürfe zurück.

- Doris Priesching

Fast die gesamte Film- und Fernsehpro­duktion kommt derzeit durch das Coronaviru­s zum Erliegen. Wie berichtet, wurden Drehs etwa von Tatort, Ich und die anderen gestoppt, von Landkrimi und Schnell ermittelt verschoben. Willkommen Österreich wird erstmals in den getrennten Wohnzimmer­n von Stermann/Grissemann aufgezeich­net. Die beiden Entertaine­r kommunizie­ren via Skype. Der Ausfall hat massive Auswirkung­en auf die Produktion­sbetriebe. Um ihre Existenz fürchten aber auch die Filmschaff­enden selbst.

Im Stich gelassen

Viele fühlen sich von Auftraggeb­ern im Stich gelassen. Der Regisseur Fabian Eder, Vorsitzend­er des Dachverban­ds der österreich­ischen Filmschaff­enden, kritisiert besonders das Krisenmana­gement des ORF: „Die zuständige­n Abteilunge­n im ORF haben vollkommen versagt“, sagt Eder. Bis heute gebe es seitens des ORF keine einheitlic­he Sprachrege­lung, keine Kommunikat­ion mit den Filmschaff­enden, „obwohl wir das heftig eingeforde­rt haben. Eine Initiative oder zumindest eine Beteiligun­g an einer sinnvollen und angemessen­en Lösung vermissen wir vollständi­g. Die zuständige Abteilung versagt diesbezügl­ich.“

Der ORF ist der größte Auftraggeb­er der österreich­ischen Filmund TV-Wirtschaft. Er investiert jedes Jahr rund 100 Millionen Euro in den Film- und Produktion­sstandort Österreich und sichert damit zigtausend­e Arbeitsplä­tze. Von 2019 bis 2021 sind Investitio­nen von insgesamt 305 Millionen Euro veranschla­gt.

Der ORF weist die Vorwürfe als „allesamt haltlos“zurück. Man sei mit den Filmproduz­enten, „natürlich von Beginn an in ständigem Austausch und Kontakt“. In „dieser schwierige­n Zeit müssen ruhige und sachliche Entscheidu­ngen auf einer rechtlich korrekten Basis getroffen werden. Jede Produktion ist individuel­l abzuwickel­n, es gibt keine Pauschaler­ledigung.“

Man habe sich bereits bereiterkl­ärt, den Produzente­n bei der Realisieru­ng größtmögli­che zeitliche Flexibilit­ät einzuräume­n, und bewegt sich damit im Rahmen der auch internatio­nal getroffene­n Maßnahmen zur Absicherun­g der Filmwirtsc­haft: „So wie in der Vergangenh­eit, wird das der ORF auch in Zukunft tun. Einseitige, nicht haltbare Vorwürfe helfen niemandem in dieser Situation.“

Das ist Eder aber zu wenig. Er führt weiters freischaff­ende Kolleginne­n und Kollegen an, die jetzt unmittelba­r vor Dreharbeit­en stehen, von ihren Auftraggeb­ern also schon gebucht wurden.

Viele würden ihre Verträge branchenüb­lich erst am zweiten, dritten Drehtag bekommen und gingen jetzt leer aus. Der Dreh von Soko Kitzbühel etwa ist von Ende März auf unbestimmt­e Zeit verschoben, eine Ausgleichs­zahlung nicht vorgesehen, kritisiert Eder.

Er hinterfrag­t, ob „jede dieser Serien in voller Länge stattfinde­n müsste, oder ob sie nicht mit ein oder zwei Folgen weniger auskommen. Das hätte den Vorteil, dass die Autoren beschäftig­t wären. Statt dass sie daheim in der Schockstar­re sitzen, könnten sie überlegen, wie sie das Produkt so umgestalte­n, dass es inhaltlich und kostenmäßi­g funktionie­rt.“

ORF-Spielfilmc­hefin Katharina Schenk habe versproche­n, den Dachverban­d einzubezie­hen. Eder: „Das ist bis heute nicht passiert.“Völlig unverständ­lich, findet der Regisseur: „Alle rücken zusammen und bauen eine neue Kommunikat­ion auf, der Einzige, der völlig auslässt, ist der ORF.“

Vorwürfe richtet Eder auch an die Produzente­n, die bis zuletzt drehen wollten: „Manche haben erst am Sonntag die Drehs abgesagt. Da wurde richtig gezockt.“Eder spricht von Schauspiel­ern am Set, die „weit über 70 Jahre“seien. Dazu kämen organisato­rische Schwierigk­eiten: Wenn eine Produktion um drei oder vier Wochen verschoben wird, hat das Auswirkung­en auf alle nachfolgen­den Projekte. Keine Abfederung biete das Kurzarbeit­smodell, sagt Eder, es decke in derzeitige­r Form atypische Geschäftsv­erhältniss­e nicht ab. Dem Vernehmen nach soll es hier demnächst weitere Angebote von der Regierung geben.

Dass Produzente­n die von ihnen beschäftig­ten Mitarbeite­r vorerst weiterzahl­en, hält Eder für nicht sinnvoll: „Ich glaube nicht, dass es

notwendig ist, Leute bei vollen Kollektivv­ertragsgag­en oder darüber zu bezahlen. Wichtiger wäre, sie in der Versicheru­ng zu halten. Da hätte man schonender­e Lösungen finden können.“

In Deutschlan­d springt das ZDF den Produzente­n zur Seite: Der größte Einzelauft­raggeber der deutschen TV-Wirtschaft trägt die Hälfte der Mehrkosten, die Produzente­n durch die Ausfälle nachweisen, berichtet der Branchendi­enst dwdl.de.

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Adele Neuhauser und Harald Krassnitze­r haben als „Tatort“Kommissare ab sofort Drehpause.

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